Nahost

Iranischer Analyst: Ein Regime-Change in Teheran ist nicht in Sicht

Die Behauptung der iranischen Regierung, die aufgrund der Subventionsstreichung und Verteuerung von Benzin ausgebrochenen Proteste seien von außen gesteuert, haben Schah-Anhänger bejaht. Sina Azodi, ein iranischer Analyst, bleibt im Gespräch mit RT Deutsch dagegen skeptisch.
Iranischer Analyst: Ein Regime-Change in Teheran ist nicht in SichtQuelle: AFP © Atta Kenare

Die seit über einer Woche andauernden Proteste im Iran gehen weiter. Während insbesondere die USA und Israel betonen, dass die Menschen sich des Gottestaates entledigen, also einen Regime-Change wollen, beteuert die Regierung in Teheran, dass diese Rufe von außen gelenkt würden. Ausgerechnet Anhänger von Cyrus Reza Pahlavi, dem ältesten Sohn vom 1979 gestürzten Schah Mohammad Reza Pahlavi, behaupten nun, dass sie sich seit über zwei Jahren auf diesen Moment vorbereitet haben. Sie hätten Slogans einstudiert, Plakate gedruckt und Formationen bei den Protesten eingeübt, sagte Amir Etemadi dem Sender BBC Persian. 

RT Deutsch fragte deshalb den außenpolitischen Berater bei Gulf State Analytics, Sina Azodi, wie er solche Berichte bewertet. Gulf State Analytics bietet Risikoanalysen über Länder des Golfkooperationsrats (GCC) an.

Herr Azodi, können Sie uns aus ihrer Sicht erklären, weshalb die Menschen im Iran auf die Straßen gegangen sind und seit Tagen protestieren?

Was die Proteste ausgelöst hat, waren die plötzlichen Verteuerungen der Benzinpreise, die dann aber schnell in Anti-Regime-Slogans mündeten.

Es gibt Berichte von hunderten Todesopfern. Wie glaubwürdig sind solche Zahlen?

Es ist natürlich aufgrund der Internetsperre und der Zensur schwierig, exakte Zahlen zu bekommen, aber Amnesty International hat den Tod von mehr als einhundert Personen bestätigt, und die Zahlen könnten sogar auf bis zu 200 Todesopfer steigen.  

Die iranische Regierung behauptet, dass die Protestler von ausländischen Mächten unterstützt werden. Und Amir Etemadi scheint das gerade bestätigt zu haben. Wissen Sie mehr darüber, und welche Rolle spielen Monarchisten im Iran? Gibt es überhaupt Unterstützung im Iran für Reza Pahlavi?

Ja, Amir Etemadi hat behauptet, dass sie das seit zwei Jahren organisiert und geplant hätten. Ich bin aber skeptisch, weil es keine glaubwürdigen Beweise gibt, die das untermauern. Ich wäre vorsichtig mit solchen Behauptungen, weil sie leicht das Leben von vielen Menschen gefährden können, die auf den Straßen sind. So hat beispielsweise einen Tag nach Etemadis Behauptung, die der IRGC (Iranische Revolutionsgarde/Anm.) nahestehende Farsnews einen einminütigen Clip von Etemadis Erklärung gezeigt und gesagt, dass die Menschen auf den Straßen von ausländischen Mächten angeführt werden. Im Grunde haben sie gesagt, dass sie Agenten von ausländischen Mächten sind. 

Was die Popularität des Pahlavi-Regimes betrifft, würde ich sagen, dass es sicherlich eine gewisse Anzahl von Menschen gibt, die die Monarchie wieder zurückhaben möchten. Aber es gibt zwei Dinge: In der persischen Geschichte ist noch nie eine Monarchie an die Macht zurückgekehrt, nachdem sie vollständig aufgelöst war. Außerdem denke ich, dass die Iraner, die nach Pahlavi rufen, das trotz des Islamischen Regimes tun und mehr nostalgisch als realistisch sind. Sie vergessen, dass auch während der Pahlavi-Ära Korruption weitverbreitet war und die Wirtschaft in den Jahren, die zur Revolution von 1979 geführt haben, nicht gut lief. Stichwort Haushaltsdefizit des Staates und Inflation. 

US-Außenminister Mike Pompeo rief die Iraner dazu auf, Videos und Fotos an US-Behörden zu schicken, damit Washington dann die Verstöße "enthüllen und sanktionieren" kann. Wer ist die Zielgruppe für diesen Aufruf über Twitter, während das Internet im Iran noch immer blockiert war und viele gewöhnliche Iraner gar nicht Twitter benutzen?

Ich glaube, dass der Aufruf von Außenminister Pompeo mehr rhetorisch gemeint war, um Solidarität mit den Menschen zu zeigen, weil die IRGC bereits sanktioniert ist. Und erst jüngst wurde der Kommunikationsminister sanktioniert. Im Grunde ist es so, dass die Top-Führung bereits unter Sanktionen steht, so dass dann niedere Beamte übrigbleiben, die über keine oder nur über geringe Autorität verfügen. Ich glaube auch, dass es dazu gedacht war, einen gewissen Grad von politischem Druck gegen die Islamische Republik auszuüben. 

Stellen die Proteste eine Bedrohung für die Regierung in Teheran dar?

Nicht kurzfristig, weil das Regime es geschafft hat, die "Dinge einzuwickeln" – wie sie es nennen – oder niederzuschlagen. Aber es zeigt auch, dass es einen unterschwelligen Groll aufgrund der wirtschaftlichen und politischen Probleme im Land gibt, und Teheran muss diese angehen. Das einzige Problem dabei ist, dass autoritäre Regimes vor der größten Bedrohung stehen, wenn sie sich selbst reformieren wollen (wie auch im Falle des Schahs), weshalb die Frage bleibt, ob Teheran eine gewisse Flexibilität zeigt. Das allerdings könnte dann benutzt werden, um nach mehr Reformen zu verlangen. Oder sie zeigen sich unnachgiebig, was aber auch gefährlich sein könnte.

Was denken die Menschen im Iran selbst über die Proteste und die Rufe nach einem Regime-Change?

Ich habe mit vielen gesprochen, die sich über das Fehlen von brauchbaren Alternativen – trotz ihrer Ressentiments – für die gegenwärtige Situation beschweren. Ich selbst glaube auch, dass diejenigen, die behaupten, es gäbe eine brauchbare Alternative (zur Islamischen Republik Iran/Anm.), eine eigene politische Agenda verfolgen. Ich denke nicht, dass die Menschen eine Monarchie haben wollen, trotz einiger Pro-Pahlavi-Slogans (bei den Protesten).

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