Nahost

Kurdischer Ostsyrien-Vertreter: Wir wollen politische Lösung & zwischensyrischen Dialog mit Damaskus

Die YPG/SDF-Einheiten, die bislang von den USA unterstützt wurden, sind nach Angaben eines Vertreters im Interview mit RT Deutsch bereit für einen Dialog mit der syrischen Regierung. Die USA werden, auch wenn sich das zeitlich verzögern sollte, letztlich doch aus Syrien abziehen.
Kurdischer Ostsyrien-Vertreter: Wir wollen politische Lösung & zwischensyrischen Dialog mit DamaskusQuelle: AFP

RT Deutsch hat mit Ibrahim Murad gesprochen. Er ist der Deutschland-Vertreter der "Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien". Die Organisation wurde vom "Demokratischen Rat Syrien" gegründet, dem politischen Flügel der "Demokratischen Kräfte Syriens" (SDF), die von der Kurden-Miliz YPG angeführt werden.

Präsident Trump hat erklärt, dass er US-Truppen aus Syrien abziehen wird. Inwieweit fühlt sich die Region unter YPG/SDF-Kontrolle von der US-Seite im Stich gelassen?

Der Schritt zum Abzug hat uns nicht überrascht. Er kam allerdings früher als erwartet. Von "im Stich gelassen sein" kann hier aber nicht gesprochen werden, weil die US-Truppen im Rahmen der Anti-IS-Koalition in unsere Region gekommen sind. Wir haben den "Islamischen Staat" zurückgedrängt und die Anti-IS-Koalition hat uns dabei unterstützt. Wir sind der Auffassung, dass der IS in Syrien in den nächsten Wochen/Monaten territorial besiegt ist. Die Organisation kann sich aber jederzeit wieder neu formieren, daher hätten wir es für richtig empfunden, die Region erst noch zu stabilisieren.

Inwieweit existiert eine Koordinierung zwischen der YPG/SDF und der syrischen Armee sowie Russland im Kampf gegen den "Islamischen Staat"?

Eine offizielle Koordinierung gab es nicht. Trotzdem haben wir an den Fronten gemeinsam gegen den IS gekämpft, unserem gemeinsamen Feind. Was die politische Ebene anbelangt, sind wir der Überzeugung, dass Verhandlungen mit allen Akteuren die einzige Möglichkeit sind, eine dauerhafte Lösung für Syrien zu finden.

Die YPG/SDF möchte laut SDF-Führer Mazloum Kobane einen Sonderstatus von Damaskus. Was bedeutet das konkret?

Unser Vorschlag war und ist immer noch eine politische Lösung und die Aufnahme eines zwischensyrischen Dialogs, um dem Blutvergießen ein Ende zu setzen. Die SDF und die Selbstverwaltung in Nordsyrien kontrollieren militärisch etwa 30 Prozent des Landes. Die Selbstverwaltung arbeitet schon lange an einem Friedensprozess in der Region. In den befreiten Städten wurden lokale Selbstverwaltungen gegründet. Dieser Prozess sollte als Beispiel für das gesamte Syrien gelten, damit ein Weg, der aus dem Dilemma in der Region herausführt, gefunden werden kann. Damaskus sollte verstehen, dass Syrien nicht wieder in die Zeit vor 2011 gehen sollte, weil gerade diese fehlerhafte Politik uns zu diesem Punkt geführt hat, wo wir jetzt sind. Wir stellen uns ein demokratisches, dezentralisiertes Syrien vor, wo alle Ethnien und Minderheiten berücksichtigt und anerkannt werden.

Wäre das Endziel der YPG/SDF-Forderungen ein unabhängiger kurdischer Staat?

Nein, im Gegenteil, wir sehen uns als Syrer/innen. Für uns kommt eine Teilung des Landes unter keinen Umständen in Frage. Wir sehen uns als Teil des Landes. Und auch dieses kann als ein föderales Syrien existieren, in dem die syrische Flagge neben der Flagge unserer Selbstverwaltung gehisst wird.

Es laufen gegenwärtig Verhandlungen mit der syrischen Regierung über die Übergabe der YPG/SDF-Gebiete an Damaskus. In welchem Stadium befinden sich die Gespräche und wo gibt es Probleme/Herausforderungen?

Es gab in den letzten Wochen Gespräche sowohl mit Damaskus als auch in Moskau. Aber es ist noch nicht soweit, dass wir diese als Verhandlungen bezeichnen können. Auch die letzten Erklärungen aus Damaskus zu den Gesprächen waren positiv, wir haben jedoch mehr erwartet.

Linke Kritiker werfen der YPG/SDF vor, dass sie trotz ihrer linkspolitischen Ansätze mit den USA kooperiert, die eigene geopolitische Ambitionen bezüglich der kurdischen Minderheit Syriens verfolgt. Was würden Sie solchen Kritikern antworten?

Die linke Bewegung und wir teilen in vielen Aspekten dieselbe Meinung und natürlich wird es Punkte geben, in denen man anderer Meinung ist. Wir sind aber auch der Auffassung, dass die Mehrheit der linken Bewegung erkannt hat, wie komplex die Lage in Syrien ist. Man sollte berücksichtigen, dass Russland und die USA eine große Rolle in der Region spielen.

Die Kurden gehören auch zu den entscheidenden Akteuren in Syrien. Eine langfristige Lösung der syrischen Krise kann deshalb nicht ohne uns gefunden werden. Aus diesem Grund hat die Anti-IS-Koalition nach der Gründung den Kontakt mit uns gesucht, um gemeinsam den IS zu bekämpfen. Aus gemeinsamen Interesse haben wir uns geeinigt, den IS zu beseitigen. Wir alle haben die Gräueltaten in Paris, Berlin und Brüssel vor Augen. Man darf nicht vergessen, dass viele dieser terroristischen Anschläge in Städten wie Rakka und Manbidsch geplant wurden. Durch die Befreiung der Städte konnten wir Schlimmeres verhindern. Wir sind ein Teil des syrischen Volkes und um das Leben unserer Bevölkerung zu schützen, haben wir das Recht, mit jedem auf diplomatischer Ebene zu verhandeln.

Gegenwärtig ist unklar, wann die USA abziehen oder wie das Verhältnis mit der YPG/SDF aussehen wird. Wie betrachten Sie die Lage?

Es ist noch unklar, wann die US-Truppen abziehen werden. Auch wir kennen momentan keinen genauen Zeitraum. Zu Beginn der Verkündung wurde von drei Monaten, später von vier Monaten gesprochen. Auch für uns ist es inzwischen ein Fakt, dass die US-Truppen abziehen werden.

Uns ist es wichtig, dass wir koordiniert in Absprache mit allen Akteuren darüber diskutieren, dass sich nach dem US-Abzug für die Dschihadisten keine neue Möglichkeit bietet, sich neu zu organisieren.

Die Türkei kritisiert, dass die YPG der syrische Ableger der PKK ist. Viele PKK-Kommandeure sollen die YPG anführen. Wie sehen Sie solche Aussagen?

Es ist eine haltlose Propaganda der türkischen Regierung, um eine Invasion gegen uns zu rechtfertigen. War die Statue von Kawa in Afrin auch ein PKK-Anhänger? Oder die 350.000 vertriebenen Menschen aus Afrin?

Die Menschen dieser Region, die sich seit 2011 gegen jegliche Art von Terror durch Dschihadisten schützen, haben sich selbst organisiert und eigene Einheiten gegründet. In Nordsyrien leben drei Millionen Kurden. Unter ihnen gibt es Sympathisanten von vielen kurdischen Parteien, unter anderem auch PKK-Sympathisanten. Der PKK-Führer Abdullah Öcalan hatte viele Jahre in Syrien verbracht und eine enge Beziehung zur kurdischen Bevölkerung. Die Behauptung jedoch, dass die PKK die YPG anführt, ist falsch. Die YPG ist eine eigenständige und unabhängige Einheit.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

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