Nahost

Interview zum Anschlag in Ahvaz: Saudi-Arabien exportiert den Krieg in den Iran

Im Gespräch mit RT Deutsch hat der Iran-Experte Ramazan Bursa, der regelmäßig als Journalist in der Islamischen Republik ist, über die Auswirkungen und Hintergründe des Anschlags in Ahvaz gesprochen. Er warnte vor einem neuen Krieg, ausgehend von Saudi-Arabien.
Interview zum Anschlag in Ahvaz: Saudi-Arabien exportiert den Krieg in den IranQuelle: Reuters

von Ali Özkök

Ramazan Bursa ist Iran-Analyst und Chefredakteur des Auslandsfernsehsenders Kudus-TV (al-Quds). Das Interview wurde geführt, bevor der Iran zur Vergeltung des Anschlags von Ahvaz Ziele in Syrien mit Raketen angriff

Am 22. September fand in Ahvaz, der Provinzhauptstadt der iranischen Provinz Chuzestan, ein Anschlag gegen eine Militärparade statt. Was sind die Gründe dafür und warum wurde gerade eine Stadt mit einer großen arabischen Minderheitsbevölkerung ausgesucht?

Das hat zwei Gründe. Terroristische Organisationen entscheiden durchaus strategisch bei der Auswahl ihrer Ziele. So verüben sie spezielle Terroranschläge zu Ehren ihrer Jahrestage oder an einem Todestag, den sie für symbolisch halten. Wir beobachten das Verhalten bei vielen militanten Organisationen.

Zweitens, spielt der Krieg Saudi-Arabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate im Jemen gegen die Huthis eine Rolle, die beide nicht so recht Erfolg haben bei ihren Angriffen. Seit drei Jahren halten sich die beiden Länder allerdings nicht zurück, die roten Linien im Jemen tagtäglich zu brechen und mit Füßen zu treten. Beide Länder wollen Iran für den Krieg bluten lassen und versuchen dafür, die Minderheiten zu instrumentalisieren.

In einer Erklärung vor rund einem Jahr verwendete Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman die Äußerung, dass Riad den Krieg in den Iran tragen werde. Mit einem Angriff von der Qualität wie in Ahvaz sehen wir erste Zeichen der konkreten saudischen Einmischung.

Abdulhalik Abdullah, der politische Berater des Machthabers von Abu Dhabi Muhammad bin Zayid Al Nahyan, teilte auf seinem offiziellen Twitter-Account nach dem Terroranschlag in Ahvaz mit, dass es sich keineswegs um einen Terroranschlag handelte und dass "eine Verschiebung der Schlacht auf die iranische Seite die erklärte Option" ist. Angriffe dieser Art, so warnte er, "werden in der nächsten Phase weiter zunehmen".

In dieser Hinsicht kommen wir zu dem Schluss, dass Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate beschlossen haben, den Krieg nun in ein weiteres Land zu exportieren. Ob sie im Iran Erfolg haben, wird natürlich erst die Zeit zeigen.

Wer hat den Anschlag ausgeführt?

Den Sicherheitsquellen und der Handschrift des Anschlags zufolge kann im Grunde nur eine Gruppe dafür verantwortlich sein: die terroristische Organisation Al-Ahwaziya, auch als Nidal-Gruppe bekannt. Der Angriff fand an einem Tag statt, an dem der sogenannten "Heiligen Woche der Verteidigung" gedacht wurde. Die Iraner gedenken an diesem Tag jedes Jahr aufs Neue des Iran-Irak-Krieges von 1980 bis 1988. Die Organisation Al-Ahwaziya, die sich auch wenig später zum Anschlag bekannte, kämpfte als Einheit für die irakische Armee gegen den Iran.

Die Organisation Al-Ahwaziya behauptet, dass der Iran die Region besetzt, in der eine arabische Minderheit lebt, und dass sie diese Region befreien wird. Aus der Stellungnahme von Al-Ahwaziya geht im Wortlaut hervor:

"Der Angriff vom Samstag auf die Militärparade in Ahvaz war eine Reaktion auf die Unterdrückung der Araber von Ahwazi. Wir haben keine andere Wahl, als uns zu widersetzen. Al-Ahwaziya Gruppe führte heute den Angriff gegen die Islamische Revolutionsgarde (IRGC) und die iranischen Streitkräfte durch.”

Andernorts, weiter im irakischen Grenzgebiet, kämpfen iranische Truppen wieder gegen kurdische Gruppen. Neben dem Anschlag in Ahvaz ist zu vermuten, dass es ein Minderheitenproblem im Iran geben könnte?

In diesem Zusammenhang ist zu sagen, dass gemäß der iranischen Verfassung Kurden, Araber, aserbaidschanische Türken, Turkmenen und Belutschen nicht als Minderheiten im Iran akzeptiert werden, und sie werden es auch nicht in Zukunft. Juden, Christen und Armenier wiederum gelten als Minderheiten. Sie sind im iranischen Parlament mit dem in der Verfassung festgelegten Quotensystem vertreten.

Der Iran befand sich für viele Jahre in einem Waffenstillstand mit kurdischen bewaffneten Organisationen. Jahrelang waren die iranisch-irakische Grenze und die Kandil-Bergseite zum Iran und die Berge Kurdistans in dieser Hinsicht ruhig. Die KDP-I und die Organisation PJAK, auch als iranischer Arm der PKK bekannt, erklärten jedoch im vergangenen Jahr, dass sie beschlossen haben, wieder einen bewaffneten Kampf gegen den Iran aufzunehmen. Nach dieser Entscheidung haben diese Organisationen die Außenposten der Revolutionsgarden an der Grenze zwischen Iran und Irak angegriffen. Viele iranische Soldaten wurden getötet und verletzt. Nach den Angriffen verstärkte die iranische Armee die Gegenmaßnahmen und nahm den Kampf auf. Die letzte Operation wurde vergangene Woche gegen die KDP-I durchgeführt. Der Hauptsitz der KDP-I im irakischen Erbil wurde mit Raketen angegriffen.

Irans Großayatollah Chamenei war ebenfalls sehr schnell, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate zu beschuldigen. Westliche Medien haben bereits argumentiert, dass Iran den Angriff benutzt, um Riad und Abu Dhabi zum "schwarzen Schaf" zu machen. Was entgegnen Sie solchen Aussagen?

Diese Aussage von Irans Chamenei wird weitgehend von Analysten und Journalisten, die im Iran leben und arbeiten, unterstützt. In der Vergangenheit machte die Al-Ahwaziya sogar persönlich Propaganda für die Sache Riads. Sie ließ sich bereitwillig missbrauchen und trug das selbst in die Öffentlichkeit. Alleine vergangenen Monat organisierte die Gruppe eine Glückwunschdemonstration heimlich in Ahvaz, um Saudi-Arabien für die erfolgreiche Durchführung der Hadsch in Mekka zu gratulieren. Laut saudischen Medien habe die saudische Regierung die Al-Ahwaziya auch mit 50 Millionen US-Dollar finanziell für den Krieg gegen Iran unterstützt.

Was könnte die Reaktion des Iran auf den Angriff sein?

Am 8. Dezember 2017 wurde Mevlana Neysi, der Generalsekretär der Al-Ahwaziya, in der niederländischen Stadt Den Haag ermordet. Teheran kann die Führer der Organisation im Iran oder im Ausland ins Visier nehmen. Auf der anderen Seite, wie im Fall der KDP-I, können Operationen gegen Basen der Organisation im Nahen Osten angegriffen werden.

Mit Blick auf Riad und Abu Dhabi könnte sich Teheran auf Operationen gegen die Achillesverse beider arabischen Staaten, nämlich im Jemen, fokussieren und diese dort empfindlich treffen. Das scheint aber gegenwärtig nicht realistisch. Schließlich beschuldigt die internationale Gemeinschaft Iran, sich seit Jahren in die inneren Angelegenheiten von nahöstlichen Staaten einzumischen. Deshalb ist es wahrscheinlich, dass sich die iranischen Sicherheitskräfte auf die Neutralisierung der Al-Ahwaziya vorerst beschränken.

Welche Rolle spielen der Syrien-Konflikt und das Astana-Format mit Russland und der Türkei in diesem Konflikt-Mosaik?

Die Kooperation des Iran mit Russland und der Türkei im momentan wichtigsten Konflikt der Region ärgert die USA und ihre Alliierten, allen voran Saudi-Arabien und die Emirate. Ich denke, dass solche Probleme kreiert werden, um eben jene drei Staaten mit sich selbst beschäftigt zu halten und von der eigentlichen Problemlösung, im Konkreten Fall Syrien, abzuhalten.

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