Nahost

Steuern Russland und Israel auf eine direkte Konfrontation in Syrien zu?

Je länger sich der Krieg in der Ukraine hinzieht, desto schwieriger wird es für die israelische Führung als der engste US-Verbündete im Nahen Osten, eine neutrale Position einzunehmen. Es mehren sich die Anzeichen, dass sich auch die Konfrontation zwischen Israel und Iran in Syrien verschärfen könnte, während Russland nicht länger wie zuvor bereit zu sein scheint, israelische Aggressionen gegen die territoriale Integrität Syriens zu tolerieren.
Steuern Russland und Israel auf eine direkte Konfrontation in Syrien zu?Quelle: AFP © Jack Guez

Eine Analyse von Seyed Alireza Mousavi

Seit dem Beginn des offenen Ukraine-Krieges will Israel die USA als seinen wichtigsten Bündnispartner nicht verärgern, ist aber zugleich aus taktischen Gründen auch vom Wohlwollen Moskaus abhängig – insbesondere in den schwelenden Konflikten in Syrien und mit Iran. Je länger sich aber der Krieg in der Ukraine hinzieht, desto schwieriger wird es für die israelische Führung als der engste Verbündete der USA im Nahen Osten, eine neutrale Position einzunehmen.

Die UN verabschiedeten kürzlich mehrheitlich eine Resolution, mit der Russlands Mitgliedschaft im UN-Menschenrechtsrat ausgesetzt wird. Auch Israel stimmte für diese Resolution. Tel Aviv hatte sich bereits zuvor bei der UN-Vollversammlung hinter eine Verurteilung Russlands für den offenen Ukraine-Krieg gestellt. Der israelische Außenminister Jair Lapid beschuldigte die Kremlführung ausdrücklich der "Kriegsverbrechen" als Begründung für die Aussetzung der Mitgliedschaft Russlands im UN-Menschenrechtsrat. "Ein großes und mächtiges Land ist ohne jede Rechtfertigung in einen kleineren Nachbarn eingefallen. Wieder einmal ist der Boden mit dem Blut unschuldiger Zivilisten getränkt", kommentierte Lapid den Ukraine-Krieg. Diese Einlassung war eine der schärfsten Äußerungen oder Vorwürfe eines hohen israelischen Beamten gegen Moskau in letzter Zeit.

Das Außenministerium in Moskau veröffentlichte anschließend eine Erklärung, in der Lapids Äußerungen als ein schlecht getarnter Versuch bezeichnet werden, "die Situation in der Ukraine auszunutzen, um die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft von einem der ältesten ungelösten Konflikte, nämlich dem palästinensisch-israelischen Konflikt abzulenken". Bezugnehmend darauf bestellte man in Moskau auch den israelischen Botschafter Alexander Ben-Zvi ein, um – wenn möglich – die Äußerungen von Lapid zu erklären.

Abgesehen von der Beurteilung der Lage des Kriegsverlaufs in der Ukraine ist es bemerkenswert, dass die israelische Führung, der im Umgang mit den Palästinensern selbst "Verbrechen der Apartheid" zur Last gelegt werden, nun Russland für angeblich begangene "Kriegsverbrechen" in der Ukraine verantwortlich macht. Amnesty International erklärte in seinem aktuellen Bericht, dass die Palästinenser – egal ob sie in Gaza, in Ostjerusalem, im Westjordanland oder im israelischen Kernland leben – als "minderwertige rassische Gruppe" behandelt und als solche "systematisch" ihrer Rechte beraubt würden. Die "grausame Politik der Segregation, Enteignung und Ausgrenzung" durch Israel in diesen Gebieten grenze – laut Amnesty International – eindeutig an "Apartheid".

Der russische Präsident Wladimir Putin sandte am Sonntag einen Brief an Israels Premierminister Naftali Bennett, in dem er ihn auffordert, dass Israel seinem Land die Kontrolle über Alexander-Newski-Kirche in der Jerusalemer Altstadt gewähren müsse, wie es die vorherige israelische Regierung bereits versprochen hatte. Im Jahr 2020 hatte Russland eine junge Israelin namens Naama Issachar wegen des Besitzes von Cannabis verhaftet. Im Gegenzug für deren Freilassung hatte der damalige Premierminister Benjamin Netanjahu versprochen, die russische Regierung als Eigentümerin der Alexander-Newski-Kirche in Jerusalem anzuerkennen. Nun fordert Präsident Putin angesichts der wachsenden Frustration der Kremlführung gegenüber Israel im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg, dass dieses Versprechen von der israelischen Regierung endlich eingelöst werden müsse. Die Besitzübertragung des Kirchengeländes könnte Israel jedoch zu einem Zeitpunkt, in dem seine westlichen Verbündeten Russland wegen des Ukraine-Krieg massiv sanktioniert haben, erhebliche diplomatische Schwierigkeiten bereiten.

In einem weiteren Schritt telefonierte Präsident Putin am Montag mit dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde Mahmud Abbas. Putin bekräftigte Russlands feste Position zur Unterstützung der Rechte des palästinensischen Volkes und versicherte seine politische Unterstützung für die palästinensische Sache in allen internationalen Foren. Laut der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa verurteilte Putin im Telefonat die jüngsten israelischen Praktiken, Gläubige daran zu hindern, die al-Aqsa-Moschee freizügig zu betreten.

Tel Avivs Verzicht auf die Teilnahme an westlichen Sanktionen gegen Russland im Zuge des Ukraine-Krieges soll nach israelischer Darstellung Israels Handlungsfreiheit in Syrien sichergestellt haben. Israel hat in letzter Zeit "Waffenlager der Milizen" in Syrien ins Visier genommen, um mutmaßliche Waffentransporte über Syrien an die Hisbollah zu unterbinden. Aufgrund der zunehmenden Aggressionsakte Israels gegen Syrien scheint es aber, dass Russland beginnt, die Geduld zu verlieren. Russland forderte kürzlich von Israel die Einstellung der Luftangriffe gegen Syrien. Nach den letzten israelischen Luftangriffen in Syrien in der Nacht zum Freitag sagte Admiral Oleg Schurawljow, ein hochrangiger russischer Kommandeur im Land, dass eine in Russland hergestellte Flugabwehrrakete Syriens eine israelische Rakete abgefangen hätte.

Die offizielle Meldung über das Abfangen durch einen hochrangigen russischen Beamten ist mehr als nur ein Hinweis darauf, dass Moskau die Politik des "offenen Himmels" überdenken könnte, mit der Israel bisher gewährt wurde, sich frei im syrischen Luftraum zu bewegen, kommentiert israelische Zeitung Haaretz. Auch der russische Botschafter in Syrien Alexander Jefimow warnte zuvor bereits, dass die israelischen Angriffe auf Syrien Russland zu einer Reaktion "provozieren" könnten. Die Äußerung des Botschafters war eine der schärfsten Verurteilungen der israelischen Luftangriffe auf Syrien durch die Kremlführung in letzter Zeit.

Wenn sich die Lage in der Ukraine weiter verschärft, wird sich insbesondere Syriens Präsident Baschar al-Assad stärker auf Iran stützen, und damit würden sich die Chancen der iranischen Führung verbessern, ihren Einfluss in der Levante weiter auszubauen. Russland soll angeblich seine Streitkräfte in Syrien reduzieren, um seine Präsenz in der Ukraine noch zu verstärken. Die aus Syrien abziehenden russischen Soldaten werden nun durch Iraner oder pro-iranische Milizen ersetzt. Der neue iranische Einsatz wurde Berichten zufolge bereits vom syrischen Präsidenten Baschar al-Assad und mit Zustimmung Russlands beantragt, was das Vertrauen der syrischen Führung gegenüber Iran widerspiegelt, um so die von den russischen Streitkräften hinterlassenen Lücken zu schließen. Es mehren sich also die Anzeichen, dass sich die Situation zwischen Israel und Iran in Syrien verschärfen kann, während Russland nicht mehr länger bereit ist, israelische Aggressionen gegen die territoriale Integrität Syriens zu tolerieren.

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Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.