Nahost

Neue Eskalation in Syrien: Türkische Drohnen bombardieren Umland von Aleppo

Am Montagmorgen hat eine vermutlich aus der Türkei kommende Drohne den Ort Tall Rifaat nördlich von Aleppo bombardiert. Der türkische Präsident Erdoğan hatte in der vergangenen Woche wiederholt damit gedroht, Tall Rifaat anzugreifen. Als Grund nannte er Angriffe der kurdisch geführten Syrischen Demokratischen Kräfte auf türkische Truppen, die mit Dschihadisten Gebiete um Afrin nordwestlich von Aleppo besetzt halten.
Neue Eskalation in Syrien: Türkische Drohnen bombardieren Umland von AleppoQuelle: AFP © Aaref Watad

von Karin Leukefeld

Am vergangenen Freitag waren Hunderte Demonstranten in Tall Rifaat auf die Straße gegangen, um gegen die Drohungen aus der Türkei zu protestieren. Kurdische Medien berichteten, dass bereits am vergangenen Mittwoch zwei Personen unweit von Ain al-Arab/Kobanê bei einem türkischen Drohnenangriff auf ein Fahrzeug getötet worden seien. Am Samstag habe es einen weiteren Drohnenangriff auf ein Fahrzeug gegeben. Am Sonntag wurden drei SDF-Kämpfer bei einem Drohnenangriff unweit von Ain al-Arab/Kobanê getötet.

Kein Fortschritt bei Genfer Syrien-Gesprächen

Eine sechste Verhandlungsrunde eines syrischen Verfassungskomitees ist derweil am vergangenen Freitag ohne konkrete Ergebnisse zu Ende gegangen.

Vor einer Woche hatten sich 45 Personen eines Verfassungskomitees für Syrien in Genf eingefunden, um entlang von vier Grundprinzipien erstmals konkret einen Entwurf für eine neue Verfassung oder Verfassungsänderungen auszuarbeiten. Vertreten waren je 15 Personen, die die Regierungsseite, den oppositionellen Syrischen Nationalrat (SNC, Sitz in Istanbul) und ausgewählte Gruppen der syrischen Zivilgesellschaft repräsentieren. Die Personen sind Teil einer 150-köpfigen Gruppe, die das Verfassungskomitee bildet. Die drei Parteien sind in dem Gremium mit jeweils 50 Personen vertreten.

Nach fünftägigen Beratungen in Genf zeigte sich der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Geir Pedersen, ernüchtert. Vor Pressevertretern am vergangenen Freitag sagte er, die Woche sei hektisch gewesen, letztlich aber "eine große Enttäuschung". Er und seine Stellvertreterin Khawla Mattar hätten sich während der Woche wiederholt mit den beiden Co-Vorsitzenden des Gremiums, Ahmed al-Kuzbari für die Regierungsdelegation und Hadi al-Bahra für den oppositionellen Syrischen Nationalrat, getroffen, manchmal auch mehrmals am Tag. Die Diskussionen seien "ziemlich geschäftsmäßig, direkt und offen" gewesen.

Die Delegationen hätten sich geeinigt, dass die Regierungsseite am ersten Tag zu den Themen "Souveränität, Unabhängigkeit, territoriale Integrität, Terrorismus und Extremismus" vortragen sollte. Am zweiten Tag sollte sich die SNC-Delegation mit "Armee, bewaffneten Kräften, Sicherheit und Geheimdiensten" befassen. Am dritten Tag sollte die Delegation der Zivilgesellschaft einen Entwurf zum Thema "Rechtsstaatlichkeit" vorlegen. Am vierten Tag sollte wiederum die Regierungsdelegation einen Entwurf zu "Terrorismus und Extremismus" präsentieren. Es habe zu den einzelnen Themenbereichen gute Diskussionen gegeben. Am fünften Tag wollte man versuchen, eine Einigung darüber zu finden, was man als ersten vorläufigen gemeinsamen Entwurf zu den einzelnen Prinzipien vorstellen könne. Das allerdings sei "eine große Enttäuschung" gewesen. Man habe "nicht erreicht, was wir gehofft hatten zu erreichen", sagte Pedersen. Die Regierungsdelegation habe keinen neuen Text vorgelegt, die Delegation des Syrischen Nationalrates habe lediglich auf zwei vorgelegte Papiere geantwortet. Tatsächlich habe es "kein richtiges Verständnis" darüber gegeben, wie der Prozess ablaufen solle, räumte Pedersen ein. Er habe sich nach der letzten Gesprächsrunde mit den zwei Co-Vorsitzenden besprochen und beide hätten mit ihm darin übereingestimmt, dass es so nicht weitergehen könne. Pedersen sagte, dass zwischen den Parteien mehr Vertrauen und politischer Wille geschaffen werden müsse. Ein Termin für eine siebte Gesprächsrunde wurde nicht vereinbart.

Störmanöver in Syrien

Die Gespräche in Genf in der vergangenen Woche waren von zahlreichen militärischen Auseinandersetzungen und Angriffen begleitet.

An verschiedenen Tagen kam es zu militärischen Auseinandersetzungen zwischen den syrischen Streitkräften und der Dschihadistengruppe Haiʾat Tahrir asch-Scham (HTS) in der Provinz Idlib. Am 20. Oktober waren in Damaskus zwei von drei Sprengsätzen in einem Bus explodiert, der Angestellte der Armee zur Arbeit bringen sollte. Dabei kamen 14 Menschen ums Leben. Am 21. Oktober wurde die von der US-Armee völkerrechtswidrig errichtete Militärbasis At-Tanf im Dreiländereck Syrien, Irak, Jordanien von Drohnen attackiert, die vermutlich von iranischen Milizen abgefeuert worden waren.

Eine Woche zuvor, am 14. Oktober, hatten israelische Kampfjets einen syrischen Militärstützpunkt bei Palmyra angegriffen, dabei waren ein syrischer Soldat getötet und drei weitere Soldaten verletzt worden. Die israelischen Kampfjets waren über die Basis At-Tanf völkerrechtswidrig in den syrischen Luftraum eingedrungen. Sie hatten russischen Militärquellen zufolge zivile Flugzeuge als Deckung benutzt. Die syrische Luftabwehr konnte nicht eingreifen, weil sie die zivilen Flugzeuge gefährdet hätte.

Kritik an UN-Gesprächen

In Syrien werden die Genfer UN-Versuche, eine Verfassung für Syrien von einer ausgewählten Drei-Parteiengruppe erstellen zu lassen, kritisch gesehen. Zentrale Kritik von verschiedenen Seiten ist, dass die Erstellung einer Verfassung ausschließlich die Sache eines souveränen Staates sei und nicht im Ausland stattfinden dürfe. Für einen Verfassungskonvent müssten zudem Vertreterinnen und Vertreter in Syrien bestimmt werden.

Rund 1.500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer "Konferenz für den nationalen syrischen Dialog" hatten sich Anfang 2018 in Sotschi mit großer Mehrheit für ein Verfassungskomitee ausgesprochen, das in Syrien seine Arbeit aufnehmen sollte. Der Prozess war dann unter Berufung auf die UN-Sicherheitsratsresolution 2254 aus dem Jahr 2015 unter das Dach der Vereinten Nationen geraten und stagnierte. Syrische kurdische Organisationen sind wegen des Widerstandes der Türkei nicht an den Gesprächen in Genf beteiligt.

Der stellvertretende iranische Außenminister für politische Angelegenheiten, Ali Asghar Khaji, betonte nach Angaben der syrischen Tageszeitung Al-Watan, ausländische Einmischung in die Erarbeitung einer Verfassung für Syrien müsse unterlassen werden. Bei einem Treffen mit dem UN-Sonderbeauftragten Pedersen in Genf sagte Khaji darüber hinaus, die westlichen Sanktionen gegen Syrien behinderten die politische Entwicklung in dem Land.

Der Vorsitzende der syrischen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, George Jabbour, appellierte am vergangenen Samstag an Pedersen, sich dafür einzusetzen, dass die UN-Resolution 2254 verändert werde. Die Resolution, mit der "die Lage in Syrien kontrolliert" werden solle, sei nicht mehr zeitgemäß, so Jabbour. Pedersen solle eine Resolution umsetzen, die nicht umgesetzt werden könne. Es sei sinnvoller, das Geld, das für die Treffen ausgegeben werde, für das Wohl der Bevölkerung Syriens einzusetzen. "Jeder, der zur Einsicht fähig ist, kann sehen, dass die Treffen nicht funktionieren."

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