Nahost

Mysteriöse Explosionsserie im Iran: Führt die Spur wieder nach Israel?

Im Iran hat sich in den vergangenen Tagen eine Explosionsserie in Militärbasen, Kliniken und Atomanlagen ereignet, die einige Fragen aufwirft. Offizielle iranische Quellen verweisen auf "technische Ursachen", Israel spricht von Maßnahmen, "über die man besser nicht sprechen sollte".
Mysteriöse Explosionsserie im Iran: Führt die Spur wieder nach Israel?Quelle: Reuters

von Arkadi Shtaev

  • Am 26. Juni kam es zu einer Explosion in der Nähe der Militärbasis Partschin etwa 30 Kilometer östlich von Teheran, wo sich ein Zentrum des Raketenbaus befinden soll.
  • Am 30. Juni starben 19 Menschen, Patienten und medizinisches Personal einer Klinik im wohlhabenden Norden Teherans, bei einer Detonation. 14 weitere Personen wurden zum Teil schwer verletzt.
  • Am 2. Juli geriet ein Gebäude im oberirdischen Teil der Atomanlage von Natanz in Brand.
  • Und am 4. Juli kam es zu einem Brand in einem Kraftwerk in Ahvaz in der Provinz Chuzestan im Südwesten des Iran.

Die Medien und die Regierung des Iran berichteten ausführlich, hielten sich jedoch mit Schuldzuweisungen zurück. Überwiegend wurden technische Ursachen für die Unglücksfälle genannt, was von innen- und außenpolitischen Experten jedoch in Zweifel gezogen wird. Der Verdacht fällt auf Israel, wie unter anderem die in Kuwait erscheinende Zeitung Al-Dscharida berichtete.

Die israelische Regierung hat den Iran beziehungsweise dessen nukleares Potenzial ganz oben auf ihrer Agenda.

Netanjahu ist vom Iran besessen

Zum Hintergrund: Was die Gefahr einer iranischen Atombombe angeht, von der Benjamin Netanjahu schon seit 1999 behauptet, deren Fertigstellung stehe unmittelbar bevor, erklärte der israelische Militärhistoriker Martin van Creveld in einem Interview:

Ich habe auch noch keinen erwähnenswerten Iran-Experten getroffen, der davon ausgeht, dass der Iran einen Atomkrieg gegen Israel plant. Die Gefahr einer iranischen Atombombe wird permanent übertrieben.

Es war dem ehemaligen Vorsitzenden des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Bet, Juval Diskin, zu verdanken, dass dieser schon im Jahre 2012 Netanjahus Iran-Politik mit markanten Worten umschrieb. Diskin warf Netanjahu vor, vom Iran besessen zu sein und seine Politik aufgrund "messianischer Gefühle" zu vollziehen. Doch damit nicht genug. Der inzwischen verstorbene Chef des Auslandsgeheimdienstes, der Meisterspion Meir Dagan, bekundete kurz vor dem Ende seiner Amtszeit gegenüber dem US-Sender CBS:

Den Iran anzugreifen, bevor alle anderen Vorgehensweisen ausgeschöpft sind, ist in meinen Augen nicht tragfähig.

Kurz vor seinem Tod 2016 warnte Dagan erneut:

Israel ist mit dem konservativen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in seine bisher schlimmste Führungskrise geraten.

Weder die USA – wo ein ähnliches Iran-Syndrom grassiert – noch Israel haben das Potenzial, den Iran mit konventionellen Methoden anzugreifen, wie der politische Analyst Shayan Arkian im vergangenen Jahr erklärte.

Daher versucht man, durch eine asymmetrische Kriegsführung das Regime in Teheran zu Fall zu bringen, durch Aufkündigungen von gültigen Verträgen, drakonische Sanktionen, die Ermordung von militärischem und politischem Führungspersonal sowie die Unterstützung von oppositionellen Terrorbanden

Hierbei geht es nicht um Menschenrechte und Demokratie, denn diesbezüglich schaut es bei den engen Verbündeten Israels und der USA in der Region, zum Beispiel Saudi-Arabien – das man gegen Teheran massiv aufrüstet –, nicht besser aus. "Der Iran hat nirgendwo Immunität. Unsere Kräfte operieren in jeder Richtung gegen die iranische Aggression", twitterte Benjamin Netanjahu im vergangenen Jahr und versuchte damit die Angriffe auf das Territorium der souveränen Nachbarstaaten Syrien, Libanon und Irak zu rechtfertigen.

Machtfaktor Hisbollah

Der Hintergrund für dieses Wildwest-Verhalten im Nahen Osten liegt in der Stärke der Hisbollah im Libanon, die wahrlich ein Angstgegner Israels und ein nicht zu unterschätzender Machtfaktor ist. Die Hisbollah ist eine der stärksten politischen Parteien des Libanon, inklusive einer eigenen Armee, die einen Staat im Staate darstellt.

Israel fürchtet die Hisbollah – zu Recht!

Die Hisbollah, eigentlich die Selbstschutzgruppe und Partei der schiitischen Minderheit (inzwischen stellen die Schiiten schon knapp die Hälfte der Bevölkerung), wird heute auch von Christen, Drusen und sunnitischen Libanesen gewählt, da sie einen Ordnungsfaktor in der zersplitterten politischen Landschaft des Libanon darstellt, und siegte 2006 im Kampf gegen die Truppen Israels. Der damalige Krieg wurde von Israel mit dem Ziel vom Zaun gebrochen, die Hisbollah zu vernichten. Stattdessen fügte die Hisbollah dem israelischen Militär herbe Verluste zu und feuerte Raketen auf die Hafenstadt Haifa und die Siedlungen in Galiläa. Heute, 14 Jahre später, hat sich die ballistische Kompetenz der Hisbollah, auch durch iranisches Know-how, dramatisch erhöht. Experten sind sich einig, dass die Raketen der schiitischen Miliz inzwischen bis Tel Aviv, wenn nicht darüber hinaus reichen. Dieses Faktum stellt für Israel zweifelsohne ein Bedrohungsszenario dar. Die aktuelle israelische Regierung geht anscheinend davon aus, dass nur durch einen Umsturz in Teheran auch das Problem mit der Hisbollah verschwinden würde.

Ausgleich zwischen Teheran und Tel Aviv als einzige Lösung

Dabei wäre ein Ausgleich zwischen Teheran und Tel Aviv der einzige Weg, die Situation zu entschärfen. Unmöglich erscheint das nicht.

Zu Zeiten des Schah-Regimes, also vor der Islamischen Revolution im Iran im Jahr 1979, herrschten enge informelle Beziehungen zwischen beiden Staaten. Iraner und Israelis betrachteten sich damals als natürliche Verbündete, als nichtarabische Regionalmächte in einer von Arabern dominierten Region, von denen sich sowohl Teheran als auch Tel Aviv bedroht fühlten. An dieser Ausgangslage hat sich heute – also rund 40 Jahre später – nicht viel geändert. Was nun die Explosionen im Iran angeht, so ließ der israelische Verteidigungsminister Gantz verlautbaren, dass Israel nicht notwendigerweise hinter "jedem rätselhaften Vorgang im Iran" stecke. Noch nebulöser äußerte sich Außenminister Aschkenasi:

Wir ergreifen Maßnahmen, über die man besser nicht sprechen sollte!

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