Asien

Afghanistan: Und immer wieder grüßt das amerikanische Murmeltier

Seit 17 Jahren kämpfen die Vereinigten Staaten von Amerika gegen die Taliban in Afghanistan. Vor 15 Jahren erklärte Donald Rumsfeld die Kämpfe für beendet. Und immer wieder bescheinigen scheidende US-Kommandeure einen Fortschritt, den es nicht gibt.
Afghanistan: Und immer wieder grüßt das amerikanische MurmeltierQuelle: AFP © Farid Zahir

Das zentralasiatische Land Afghanistan wird seiner historischen Rolle als "Friedhof der Imperien" auch nach 17 Jahren US-Besatzung gerecht. Die vermeintlich mächtigste Armee der Welt hat es nicht geschafft, die Taliban militärisch zu besiegen oder einen politischen modus vivendi zwischen ihnen und der Zentralregierung in Kabul zu finden. Seit 2001 hat allein dieser Krieg ein gigantisches Loch von 1,07 Billionen US-Dollar in die US-amerikanische Schatzkammer gerissen, die ohnehin nur auf Pump überleben kann. Mit diesem Geld hätte die marode Infrastruktur der USA locker behoben werden können, und dabei sprechen wir nur von den Kosten für den Afghanistankrieg. Irak und all die anderen militärischen und finanziellen Verluste sind dabei noch nicht einmal einkalkuliert.

Erst vor wenigen Tagen feuerten die Taliban mindestens zwanzig Raketen auf den Präsidentenpalast und das Diplomatenviertel von Kabul ab, der afghanischen Hauptstadt. Und davor haben die paschtunischen "Schüler" (Talib bedeutet Schüler auf Arabisch) kurzzeitig Ghazni, die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, unter ihre Kontrolle gebracht, bevor sie mit Hilfe von US-Spezialeinheiten wieder aus der Stadt vertrieben wurden. Überhaupt befinden sich die Taliban seit Jahren wieder auf dem Vormarsch und übernehmen einen Distrikt nach dem anderen. Von insgesamt 398 offiziell anerkannten Distrikten befinden sich nur 151 unter der Kontrolle der Zentralregierung von Kabul. Und das nach 17 Jahren Krieg und Tausenden von Toten auf allen Seiten.

Dennoch behauptet der scheidende Kommandeur der US-Truppen in Afghanistan, General John Nicholson, dass die US-Strategie für das kriegsgeplagte Land "funktioniert". Dass die Strategie angeblich funktioniert, wie es der Oberkommandeur sagt, liege seiner Meinung daran:

Also, also ich denke, wir sehen, dass die Strategie fundamental funktioniert und uns in Richtung Aussöhnung bringt, auch wenn es sich nicht so abspielt, wie wir es erwartet haben.

Nun, auch wenn die USA Verhandlungen mit den Taliban führen und sich dabei wenigstens um einen Waffenstillstand bemühen, sieht die Realität auf dem Boden eben ganz anders aus. Um etwaige Zweifel an der US-Mission in Afghanistan auszuräumen, begründete Nicholson die US-Präsenz folgendermaßen:

Wir verteidigen das Heimatland. Al-Kaida, der Islamische Staat und 19 weitere Terrorgruppen sind hier. Unsere Präsenz hier hält den Druck auf sie aufrecht.

Dabei ist General John Nicholson beileibe nicht der einzige, der die Realität schlimmstenfalls verkennt oder schlicht und ergreifend die US-Niederlage in Afghanistan nicht einräumen möchte. John Abizaid, Vier-Sterne-General und Träger des goldenen Ehrenkreuzes der Bundeswehr, sagte 2005 während seines Besuches als Oberkommandeur der CENTCOM in der Bagram Air Base:

Afghanistan ist ein Platz, wo militärische und wirtschaftliche Aktivitäten auf sowohl nationaler Ebene der Vereinigten Staaten als auch internationaler Ebene zusammenkamen, so dass diese drei Jahre, seit wir hier operieren, interessanten Fortschritt gezeigt haben.

Obwohl er zugab, dass al-Kaida noch nicht vollkommen besiegt sind und die Taliban nur in dem Zusammenhang erwähnte, dass sie der Bevölkerung nichts anzubieten hätten.

Ähnlich positiv äußerten sich General Dan McNeill, NATO-Kommandeur der ISAF-Truppe in Afghanistan, und Daan Everts, Leiter der zivilen NATO-Behörde vor Ort, zwei Jahre später.

McNeills Nachfolger, General David McKiernan, war der Erste, der nach sieben Jahren Krieg das Offensichtliche aussprach:

Wir können sämtliche taktische Schlachten gewinnen, aber das bedeutet nicht, dass wir gewinnen. Um zu gewinnen, müssen wir die Schlacht um Ideen gewinnen. Wir müssen "gewinnen" nach afghanischen Gegebenheiten definieren: Das bedeutet die Verbesserung der Sicherheit, die Reduzierung von zivilen Opfern, eine vertrauenswürdige Regierung, wirtschaftlicher und sozialer Fortschritt.

Das und seine Forderung nach mehr US-Truppen kosteten ihn, nach nur einem Jahr an der Spitze der US-Truppen in Afghanistan, den Job. Denn der neue Präsident Barack Obama wurde mit dem Versprechen ins Amt gewählt, die Truppen aus Afghanistan abzuziehen und nicht noch mehr hinzuschicken.

Sein Nachfolger, der bei den Spezialeinsatzkräften hochverehrte General Stanley McChrystal, teilte die Meinung seines Vorgängers bis zu seiner eigenen Nominierung für diesen Posten. Danach schwenkte er um und zeichnete ein nicht mehr ganz so negatives Bild. Doch mit dem Interview im Rolling Stone-Magazin, wo er das Weiße Haus in einem nicht so guten Licht dastehen ließ und eben auch die US-Strategie in Afghanistan kritisierte – eben jene, die er öffentlich eigentlich unterstützte –, sägte McChrystal an seinem eigenen Stuhl. Präsident Obama enthob den General von seiner Verantwortung nach einem kurzen und unrühmlichen Gespräch im Oval Office, was für große Fragezeichen in einem militarisierten Land wie den Vereinigten Staaten von Amerika sorgte.

Selbst der ansonsten besonnene Verteidigungsminister Robert Gates sagte bei seiner Verabschiedungstour durch Afghanistan im Juni 2011:

Ich verlasse heute Afghanistan in dem Glauben, dass, wenn wir den Moment hochhalten, wir einen entscheidenden Schlag gegen den Feind ausführen und das Ergebnis dieses Konflikts drehen werden.

Zur Erinnerung: Zu diesem Zeitpunkt befanden sich die USA knapp zehn Jahre im Krieg, und der Verteidigungsminister glaubte daran, dass der "Feind" zu schlagen ist.

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