Venezuela und der Westen: Guaidós Anerkennung als Präsident zumeist ohne diplomatische Konsequenzen

Während bei Politikern und Medien in den USA und deren Verbündeten der "westlichen Wertegemeinschaft" von der Anerkennung Juan Guaidós als Präsident Venezuelas die Rede ist, läuft die Diplomatie der meisten Länder mit der Regierung von Präsident Nicolás Maduro normal weiter.

"Nur fünf Länder haben mit Venezuela gebrochen, der Rest ist Theater," so steht es als Fazit im Titel der venezolanischen Zeitung Ultimas Noticias zu einer Zusammenschau des Standes der diplomatischen Beziehung Venezuelas, ein Jahr nachdem sich der Oppositionspolitiker Juan Guaidó im Januar 2019 selbst zum "Interimspräsidenten" des Landes ernannt hatte und umgehend von den USA sowie deren wichtigsten Verbündeten – unter ihnen Deutschland – anerkannt wurde.

Demnach geht die "Anerkennung" Guaidós durch mehr als 50 Staaten in den meisten Fällen über eine symbolische Ebene nicht hinaus, die diplomatischen Beziehungen laufen auf der protokollarischen Ebene der Botschaften und Konsulate in der Regel unverändert weiter – mit der amtierenden Regierung von Präsident Nicolás Maduro.

Beim Vergleich der diplomatischen Beziehung vor und nach der "Amtsübernahme" durch Guaidó kommt das Blatt zu folgendem Ergebnis:

Bis 2019 hatte Venezuela in 90 der 193 Länder, die zusammen mit unserer Nation die internationale Gemeinschaft bilden, eine diplomatische und/oder konsularische Vertretung.

Heute, nach einem Jahr der Anerkennung der Selbsternennung von Juan Guaidó durch einige Länder (...) unterhält die venezolanische Regierung zu 94,4 Prozent dieser Länder dieselben diplomatischen und/oder konsularischen Beziehungen.

Nur in fünf dieser 90 Staaten können die diplomatischen Beziehungen als abgebrochen gelten. Die USA, Kolumbien, Costa Rica, Paraguay und – nach dem jüngsten Staatsstreich rechtsextremer Kräfte gegen Evo Morales – Bolivien haben ihre jeweiligen Botschaften und Konsulate in Venezuela geschlossen und beherbergen selbst keine venezolanischen Vertretungen mehr in ihren Ländern.

In den übrigen Fällen habe es mancherorts zwar Rückstufungen auf der Ebene der Botschaften gegeben, so dass der Posten des Botschafters unbesetzt bleibt und die diplomatischen Kontakte auf niedrigerem Niveau stattfinden. Doch die vor Januar 2019 bestehenden konsularischen Vertretungen Venezuelas sollen überall unverändert weiter funktionieren.

Illustrativ schildert Ultimas Noticias folgende Anekdote:

Es gab einen Botschafter, den ich fragte: Wer ist Ihrer Meinung nach der Präsident? Und er antwortete: Derjenige, der im [Präsidentenpalast] Miraflores ans Telefon geht", zitiert der Artikel den Oppositionspolitiker Eduardo Fernández, der mit einer Journalistin von TeleSur über die Präsidentschaft von Maduro sprach.

Dabei handelt es sich in einigen Fällen um Regierungen von Staaten, die nicht nur die Anwesenheit von Gesandten des Abgeordneten Guaidó zulassen, sondern sogar selbst Zwangsmaßnahmen gegen hohe Beamte der venezolanischen Regierung ergreifen und versuchen, die Wirtschaft Venezuelas abzuwürgen. Vor der öffentlichen Meinung erwecke dies den Anschein eines Bruchs dieser Länder mit der Maduro-Regierung, während in der Praxis dieselben diplomatischen Beziehungen wie vor der Selbsternennung Guaidós weiterbestehen.

Selbst wenn Regierungen Guaidó als den "Interimspräsidenten" Venezuelas betrachten und dessen Gesandte akzeptieren, ignorieren sie nicht die diplomatischen und konsularischen Vertreter der venezolanischen Regierung von Präsident Maduro.

So amtiert beispielsweise auch in Deutschland weiterhin der von der Regierung Maduro ernannte Diplomat Orlando Maniglia Ferreira als Botschafter Venezuelas, obwohl die Bundesregierung einen "persönlichen" Vertreter Guaidós zugelassen hat.

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