Lateinamerika

Brasilien will "unproduktiven Amazonas" entwickeln

Die Regierung Bolsonaro bläst zum Angriff auf das Schutzgebiet Zentral-Amazonas. Milliardenschwere Infrastrukturprojekte sollen die Region an das "nationale produktive System" anschließen. Viele Menschen fühlen sich an die Militärdiktatur erinnert.
Brasilien will "unproduktiven Amazonas" entwickelnQuelle: AFP © Mauro Pimentel

Über den staatlichen Radiosender Voz do Brasil hat die Bevölkerung in Brasilien von den Plänen ihrer neuen Regierung erfahren. General a.D. Maynard Santa Rosa, Chef für strategische Angelegenheiten und einer von sieben Militärs im Kabinett von Jair Bolsonaro, enthüllte die neuen Pläne in einem Interview. Demnach will die Regierung das Projekt "Barão do Rio Branco Plan", welches nach einem Diplomaten aus dem 19. Jahrhundert benannt ist, Milliardenschwere Infrastrukturprojekte im Amazonasgebiet umsetzen.

Demnach soll ein Wasserkraftwerk am Fluss Trombetas gebaut, die Autobahn BR-163 aus der Stadt Santarém 300 Kilometer in den Norden bis an die Grenze zu Surinam verlängert, sowie eine 1,5 Kilometer lange Brücke über den Amazonas bei der Kleinstadt Obidos errichtet werden. General Santa Rosa begründete diese Pläne damit, dass die Regierung endlich dieses "unproduktive, wüstengleiche" Gebiet entwickeln und an das "nationale produktive System" Brasiliens anschließen möchte. Man wolle die Menschen aus der Armut holen und Großstädten wie Manaus die lästigen Stromausfälle ersparen.

Wie das alles finanziert werden soll, erklärte der General in seinem Radiointerview allerdings nicht. Auch nicht, wie die Regierung in Brasília diese Eingriffe in Naturschutz- und für das globale Klima wichtigen Gebiete rechtfertigt, die eigentlich unter dem Schutz der Vereinten Nationen stehen. Zumal allein schon der Ausbau der Autobahn an die Grenze zu Surinam durch ein riesiges unbewohntes und durch dichten Regenwald gesäumtes Gebiet führt, was einem erheblichen Eingriff in die Natur gleichkäme.

Santa Rosa erwähnte auch nicht die indigene Bevölkerung und die "quilombo" (Nachfahren von geflüchteten Sklaven), die in diesen Gebieten leben. Vermutlich existieren diese Menschen für ihn nicht einmal, weil er die Region als "desértica", als Wüste, bezeichnete und damit implizierte, dass es überhaupt keine Menschen dort gibt. Dass der Chef für strategische Angelegenheiten überhaupt diesen Terminus für das Amazonasbecken benutzt, offenbart die Verachtung der Regierung von Bolsonaro dieser Region gegenüber. Beim Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos fand dieser jedoch ganz andere Töne, um sich vor der internationalen Gemeinschaft zu präsentieren:

Wir sind das Land, dass am meisten die Umwelt bewahrt. Kein anderes Land auf der Welt hat so viele Wälder wie wir. (…) Unsere Mission ist es, die Bewahrung der Umwelt und Biodiversität mit der notwendigen wirtschaftlichen Entwicklung in Einklang zu bringen, (und uns daran) zu erinnern, dass sie voneinander abhängig und untrennbar sind. Die Sektoren, die uns kritisieren, müssen tatsächlich noch viel von uns lernen.

Viele Menschen sehen sich angesichts der Geringschätzung des Generals a.D. Santa Rosa an die Zeit der Militärdiktatur in Brasilien von 1964 bis 1985 erinnert, die die Regenwälder im Amazonasgebiet ebenfalls als leere Ödnis betrachtete und der Kultur und Lebensweise der dort lebenden Menschen mit Verachtung begegnete. Auch sie wollte mit Megaprojekten die Region "entwickeln", scheiterte schließlich aber an fehlenden finanziellen Mitteln. Dass Präsident Jair Bolsonaro die Machthaber von damals als Helden feiert, wie Spiegel Online berichtete, macht die Sache nicht besser.

Interessant wird auch sein, wie die Regierung mit diesen Vorhaben umgehen wird. So benötigen Großprojekte dieser Art eine Umweltlizenz, die nach positiver Überprüfung von Studien zur Umweltverträglichkeit vom Parlament erteilt werden. Es wird allerdings erwartet, dass Bolsonaro die Projekte durch eine Präsidiale Verordnung in Auftrag geben wird, womit diese formalen Überprüfungsprozesse im Vorfeld entfallen. Allerdings muss selbst in so einem Fall das Parlament die Verordnung innerhalb von 90 Tagen bestätigen. Zudem müsste die indigene Bevölkerung im Amazonas-Gebiet laut dem "Übereinkommen 169 über eingeborene und in Stämmen lebende Völker in unabhängigen Ländern", das Brasilien unterzeichnet und ratifiziert hat, im Vorfeld konsultiert werden, um über die Vorhaben zu sprechen.

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