Lateinamerika

Blutige Bilanz: US-Interventionen in Lateinamerika

Aus Anlass des 35. Jahrestags der US-Militärinvasion auf der Karibikinsel Grenada ruft RT Deutsch die zahlreichen Putsche und Invasionen der Vereinigten Staaten in Lateinamerika ins Gedächtnis. Bei den US-Einmischungen ließen tausende Zivilisten ihr Leben.
Blutige Bilanz: US-Interventionen in Lateinamerika Quelle: Reuters

von Maria Müller, Montevideo

Für Demokratie und Menschenrechte? Diktaturen, Staatsstreiche, Militärinterventionen. Die Geschichte der USA in ihrem "Hinterhof" Lateinamerika

Die Vereinigten Staaten haben im Lauf des vergangenen Jahrhunderts in Lateinamerika zahlreiche militärische Interventionen durchgeführt und unliebsame Regierungen mit Waffengewalt gestürzt. In anderen Fällen organisierten und finanzierten sie mit Hilfe des Geheimdienstes CIA den Umsturz. Auch das Entfachen von Bürgerkriegen mit gesponserten Söldnerarmeen gehörte immer schon zu ihren Mitteln. 

Die sogenannte Monroe-Doktrin, auf die sich die heutige US-Administration explizit bezieht, diente stets als Rechtfertigung. Nach ihr darf keine nicht-amerikanische Macht in Amerika an Einfluss gewinnen. In den Zeiten des kalten Krieges diente sie als Vorwand, alle Unabhängigkeitsbestrebungen im Keim zu ersticken. Im Folgenden ein Überblick.

Guatemala 1953-1990:

Ein von der CIA organisierter Staatsstreich stürzte die demokratische und fortschrittliche Regierung von Jacobo Arbenz. Es folgten 40 Jahre Todesschwadrone, Folter, Verschwindenlassen, Massenexekutionen. Die unvorstellbar grausame Repression verursachte einhunderttausend Opfer.

Guatemalas Präsident Arbenz hatte den US-Konzern United Fruit Company verstaatlicht. Als Rechtfertigung für den Putsch erklärte Washington damals, Guatemala stehe kurz davor, unter die Herrschaft der Sowjets zu geraten. Die Russen hatten jedoch so wenig Interesse an dem Land, dass sie noch nicht einmal diplomatische Beziehungen unterhielten. Das eigentliche Problem aus Sicht Washingtons war die Gefahr einer Ausdehnung der guatemaltekischen Sozialdemokratie auf andere Länder der Region.

Britisch-Guayana 1953-64:

Der Präsident Cheddi Jagan entwickelte sich zu einem der Führer der Dritten Welt, die in dieser Epoche des antikolonialen Aufbruchs die Unabhängigkeit errreichen wollten. Er wurde dreimal gewählt und förderte den Aufbau einer Gesellschaft, die sich zu einer Alternative zum kapitalistischen Modell hätte entwickeln können. Mit verschiedenen Methoden bemühten sich die USA und Großbritannien (als ehemalige Kolonialmacht), die Bevölkerung gegen Cheddi Jagan aufzubringen. Dazu gehörten Falschinformationen, Generalstreiks und terroristische Aktionen. Schließlich verwiesen die Mächte im Jahr 1964 Jagan des Landes. John F. Kennedy ordnete direkt seine Ausweisung an.

Brasilien 1964-1984: Präsident Joao Goulart (1961-64) hatte eine unabhängige Position in der Außenpolitik eingenommen. Er nahm diplomatische Beziehungen zu sozialistischen Ländern auf und kritisierte die US-Sanktionen gegen Kuba. Er begrenzte den Gewinntransfer von Großunternehmen ins Ausland und verstaatlichte eine Tochtergesellschaft der US-Telefongesellschaft ITT.

Innenpolitisch verfolgte er sozialdemokratische Konzepte, um bessere Lebensverhältnis für die Land- und Fabrikarbeiter zu erreichen. Reformen beim Landbesitz, in der Finanz- und Steuerpolitik und im Erziehungswesen brachten jedoch die Ober- und Mittelschicht sowie die katholische Kirche gegen ihn auf. Im Jahr 1964 kam es zu einem wirtschaftlichen Einbruch. In den Folgemonaten entwickelte sich eine Rebellion unter Teilen des Militärs zum offenen Putsch. Die US-Botschaft in Brasilia wickelte am Tag des Putsches den dafür vorbereiteten Plan "Operation Bruder Sam" ab, um den Aufstand der Armee abzusichern (Vier Zerstörer mit Begleitschiffen, ein Flugzeugträger mit sechs Kampfjets, zehn Transportflugzeuge, 110 Tonnen Munition, Manöver der Einsatztruppen zu Land, leichtes Gerät und Tränengas gegen den "Mob" in Sao Paulo). 

Die US-Presse und die brasilianische Presse hatten die öffentliche Meinung auf diesen Putsch aggressiv vorbereitet. 

In den darauf folgenden 20 Jahren wurde der Kongress aufgelöst, die politische Opposition verfolgt und fast vollständig mundtot gemacht. Kritik an der Militärdiktatur war gesetzlich verboten, die Gewerkschaften wurden unter die Kontrolle der Armee gebracht. Proteste auf den Straßen gerieten unter die Todesschüsse von Polizei und Streitkräften. Verschwindenlassen, Todesschwadrone und eine brutale Folterpraxis waren in dieser Zeit an der Tagesordnung. Die Armee nannte dieses Programm die "moralische Rehabilitation" Brasiliens.

Dominikanische Republik 1963-66:

Im Februar 1963 kam Juan Bosch als erster demokratisch gewählter Präsident seit 1924 in der Dominikanischen Republik an die Regierung.

Bosch schlug eine Agrarreform, niedrige Preise für Mietwohnungen und eine bescheidene Verstaatlichung von einigen Wirtschaftsbereichen vor. Er wollte die Ausbeutung des Landes durch die ausländischen Konzerne begrenzen. Insgesamt förderte er ein Programm des sozialen Wandels und der nationalen Unabhängigkeit. Er verteidigte die sogenannten bürgerlichen Freiheiten. Die Kommunisten, oder die als solche Bezeichneten, genossen die gleichen Rechte wie alle Bürger. Es gab keine explizite Verfolgung, wie sich die USA das wünschten.

Die Agrarreform und einige Verstaatlichungen lösten in Washington Alarm aus. Man vermutete dahinter einen "schleichenden Sozialismus". Im September 1963 gab es einen von den USA unterstützten Militärputsch. Mit einem Volksaufstand versuchte die Bevölkerung nach einem Jahr, Bosch wieder an die Macht zu bringen. Die Vereinigten Staaten intervenierten daraufhin mit 23.000 Soldaten und warfen den Aufstand nieder. 

Kuba 1959 bis heute:

Die kubanische Revolution siegte im Jahr 1959 über die Diktatur von Fulgencio Batista. Die Vereinigten Staaten verhinderten mit allen Mitteln, dass sich das kubanische Modell frei entwickeln konnte. Sie führten mehrere Terroranschläge durch, Flugzeugentführungen, einen erfolglosen Landeversuch von US-Truppen. Sie reagierten mit Sanktionen, Embargos, zahlreichen Attentatsversuchen gegen Fidel Castro und mit einer endlosen anti-kubanischen Propaganda.

Wir wissen nicht, welche Art von Gesellschaft Kuba hätte hervorbringen können. Die US-Blockade kostete die kubanische Wirtschaft über vier Milliarden Dollar.

Mit Idealismus, Vision, Talent und Internationalismus hat sich der Inselstaat dennoch weiterentwickelt. Die militärische Unterstützung der afrikanischen Befreiungsbewegungen im Kampf gegen das südafrikanische Apartheid-Regime ist sein großer historischer Verdienst.

Chile 1964-73:

Nachdem die CIA im Jahr 1964 den Wahlkampf Salvador Allendes sabotiert hatte, wurde er 1970 dennoch gewählt. Von da an versuchten die USA mit allen Mitteln, Allende zu stürzen. Vor allem die Verstaatlichung der chilenischen Kupferminen, mit deren Erlös Allende das Land aufbauen wollte, waren ihnen ein Dorn im Auge. Die US-Telefongesellschaft ITT benötigte billiges Kupfer als Rohstoff für seine Telefonkabel. Der CIA legte einen  besonderen Schwerpunkt darauf, das Militär zum Putsch gegen den Präsidenten zu veranlassen. Im September 1973 bombardierte die chilenische Luftwaffe das Regierungsgebäude. Salvador Allende verübte dort Selbstmord, um den Militärs nicht in die Hände zu fallen.

Sie sperrten das Land für eine Woche nach außen ab, während derer die Panzer durch die Straßen rollten und die Soldaten Türen eintraten. Arbeiter und Oppositionelle wurden in Fußballstadien zusammengetrieben. Dort gab es viele Hinrichtungen. Die Leichen häuften sich entlang der Straßen der Hauptstadt. Folterzentren wurden eingerichtet, Bücher verbrannt. Am Ende wurden mehr als 3.000 Menschen hingerichtet, Tausende gefoltert und für immer entführt.

Nicaragua 1979: Als die Sandinisten 1979 die Somoza-Diktatur stürzten, bedeutete das für Washington "ein neues Kuba". Sie hatten den Somoza-Clan 45 Jahre lang an der Macht gehalten. Der US-Präsident Jimmy Carter (1977-81) verhängte diplomatische und wirtschaftliche Sanktionen gegen die neue Regierung. Ronald Reagan (1981-89) griff zu einem alten Rezept: Bürgerkrieg mit Hilfe eines Söldnerheeres.

Er finanzierte und bewaffnete die "Contras", denen es vorübergehend gelang, Teile Nicaraguas unter ihre Gewalt zu bringen. Sie wurden ab Mitte der 80er Jahre jedoch von den sandinistischen Streitkräften weitgehend in Grenzbereiche zurückgedrängt. Nach einer von mehreren Nachbarstaaten unterstützte Friedensvereinbarung im Jahr 1990 legten die Contras schliesslich die Waffen nieder. Während des Krieges verminten die USA Landstriche Nicaraguas und den Hafen von Managua. Sie verursachten viele zivile Opfer und legten den Handel vorübergehend lahm. Die Vereinigten Staaten wurden 1986 vom internationalen Gerichtshof verurteilt und von der UNO dazu aufgefordert, Reparationszahlungen von 17 Milliarden Dollar an Nicaragua zu zahlen. Bisher ohne Erfolg.

Grenada 1983: Die winzige Karibik-Insel Grenada mit kaum 110.000 Einwohnern war 1983 ebenfalls Schauplatz einer Militärinvasion durch die USA. Sie wollten auch in Grenada "eine sozialistische Revolution" verhindern. Die Gruppe um Maurice Bishop, einem karibischen Vertreter der Dritte-Welt-Befreiungsbewegung kam 1979 mit einem Staatsstreich an die Macht. Bishop besaß große Popularität und löste in anderen Ländern der Region Sympathie und Begeisterung aus. Die USA witterten Gefahr. Mit Desinformationskampagnen in der Presse und Sabotageaktionen versuchten sie, Grenadas neue Führung zu isolieren. Von außen geschürte interne Zwistigkeiten führten letztlich dazu, dass Bishop und einige seiner Treuen 1983 in einer Kaserne ermordet wurden. Die Hintergründe sind bis heute ungeklärt. Anschließend setzten die USA neue Polizeieinheiten und Aufstandsbekämpfungstruppen in Grenada ein. Die Befreiungsbewegung des Maurice Bishop wurde ausgelöscht.

Panama 1989: Las Land Panama erlebte 1989 einen Überraschungsangriff durch 27.000 US-Soldaten zu Meer, Luft und Land. Das Südkommando bombardierte mehrere Viertel der Hauptstadt. Bis heute gibt es keine offiziellen Opferzahlen, doch laut Menschenrechtsorganisationen Panamas wurden rund 7.000 Menschen getötet. Nach der offiziellen Darstellung der Bush-Regierung wollte man die Diktatur des Generals Noriega beseitigen und die Demokratie wiederherstellen. Er sei im Drogenhandel involviert. Noriega war in früheren Jahren Mitarbeiter der CIA gewesen.

Doch der eigentliche Grund waren die Verträge zwischen dem Vorgänger Bushs, Jimmy Carter, und Panamas Präsidenten Torrijos. Carter hatte darin dem Staat Panama den souveränen Besitz und die kommerzielle Nutzung des Kanals zurückgegeben. Nach der Invasion setzten neue Zusatzverträge die historische Vereinbarungen wieder außer Kraft. Erst 1999 ging die Souveränität definitiv an Panama. Allerdings mit einer Hintertür: im Falle einer Bedrohung des Landes durch Drittstaaten oder Terrorismus können die USA erneut intervenieren. Die Vereinigten Staaten haben in der Geschichte Panamas sieben mal militärisch eingegriffen. Sie errichteten seit dem Jahr 2010 an den Küsten Panamas zwölf neue Militärbasen. 

El Salvador 1980-92: Die USA beteiligten sich am Bürgerkrieg in El Salvador ähnlich wie in Nicaragua. Sie investierten rund sechs Milliarden Dollar in die militärische Bekämpfung der Guerillaorganisation FMLN (demokratischer Sozialismus). Die Ausbildung und Bewaffnung von Salvadors Streitkräfte und Polizei durch das Südkommando der USA sowie die direkte Beteiligung an den Operationen gegen die FMLN brachten jedoch keine endgültigen Erfolge. Im Jahr 1990 fanden Friedensverhandlungen in Genf statt, mit denen der bewaffnete Konflikt beigelegt wurde. Die ehemalige Guerillaorganisation FMLN hat seitdem zweimal die Regierung in El Salvador übernommen.

Alle Diktaturen der 70er und 80er Jahre in Argentinien, Uruguay, Paraguay, Chile, Bolivien, Peru und Brasilien wurden von den USA in vielfältiger Weise unterstützt. In Kolumbien dominiert der wirtschaftliche und militärische Einfluss der USA jede Entwicklung, der Friedensprozess ist das aktuelle Opfer.

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