Lateinamerika

Kolumbien: Rechter Kandidat gewinnt Präsidentschaftswahl - Stichwahl entscheidet im Juni

Die Präsidentschaftswahlen am Sonntag in Kolumbien waren geprägt von einer niedrigen Wahlbeteiligung. Zudem wurden Millionen Wahlberechtigte vom Urnengang praktisch ausgeschlossen. Es gibt bereits über tausend Anzeigen wegen möglicher Wahlmanipulationen.
Kolumbien: Rechter Kandidat gewinnt Präsidentschaftswahl - Stichwahl entscheidet im JuniQuelle: Reuters © Reuters

von Maria Müller

Am Sonntag fanden Präsidentschaftswahlen in Kolumbien statt. Daraus ging der rechte Kandidat Ivan Duque mit 39,1 Prozent als Sieger hervor, gefolgt von dem linken Kandidaten Gustavo Petro mit 25,1 Prozent. Da keiner der beiden Kontrahenten über 50 Prozent der Stimmen erhielt, wird es zwischen ihnen am 17.Juni eine Stichwahl geben. Der Sieger wird dann bis zum Jahr 2022 Kolumbiens Präsident sein. 

Der ebenfalls dem rechten Spektrum angehörende Germán Vargas Lleras erhielt 7,2 Prozent, wohingegen Sergio Fajardo von der Partei „Bürgerengagement für Kolumbien“ 23,7 Prozent bekam. Seine Partei der Mitte steht den Grünen nahe. Am unteren Ende rangiert Humberto de la Calle von der Liberalen Partei mit zwei Prozent. 

Von den über 36 Millionen Kolumbianern beteiligten sich 53,1 Prozent an dem Urnengang. Doch sechs Millionen Stimmberechtigte konnten ihr Recht auf Wahlbeteiligung nicht wahrnehmen, da in den abgelegenen Regionen des Landes keine oder zu wenig Wahllokale vorhanden sind. Das teilte kurz vor der Abstimmung die Präsidentin der NGO „Mission Wahlbeobachtung“, Alejandra Barrios, der Presse mit.

Millionen Kolumbianer von Wahlen praktisch ausgeschlossen

Der Transport zu den weit entfernten Wahllokalen ist für die Menschen zu teuer, und der Staat machte bis jetzt keine Anstrengungen, am Wahltag ein kostenlose Beförderungen zu ermöglichen. Viele der Ärmsten der Armen in Kolumbien waren somit von der Teilnahem an der Demokratie praktisch ausgeschlossen. Die vom Krieg am stärksten betroffene Landbevölkerung hatte überwiegend für den Friedensprozess gestimmt und sympathisiert mit dem linken Kandidaten Gustavo Petro.  

Die oberste Wahlbehörde Kolumbiens konnte oder wollte gegenüber der „Mission Wahlbeobachtung“ keine Angaben über die Hälfte der Wahllokale auf dem Land machen. So konnte die NGO dort auch nicht ihrer Arbeit nachgegen und den Wahlablauf beobachten, was eine weitere Behinderung demokratischer Kontrolle darstellt.

Doch auch die paramilitärischen Organisationen verhindern in solchen Zonen oftmals den Urnengang. Die Guerilla ELN hatte hingegen explizit einen Waffenstillstand für die Zeit der Wahlen verkündet.

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Insgesamt verliefen die Wahlen vergleichsweise ruhig. Doch in der Nacht vom Samstag wurde in der Gemeinde La Argentina ein Wahlhelfer von Gustavo Petro ermordet. Sein Name ist Gabriel Muñoz Muñoz. Er kam von den letzten Wahlvorbereitungen zurück und wurde auf dem Nachhauseweg von Unbekannten erschossen.

Mafiöse Strukturen innerhalb der Wahlbehörde

Vergangene Woche legte die Stiftung „Frieden und Versöhnung“ in Zusammenarbeit mit der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung in Kolumbien offen, dass eine Mafia im Innern der Wahlbehörde existiert, die den Verkauf von Stimmpaketen organisieren könne, die Tausenden von Wählerstimmen enthalten. Damit vermag sie einem Kandidaten bei einem knappen Wahlergebnis zum Sieg zu verhelfen. Ein Stimmpaket würde demnach zwischen 600.000 und 900.000 US-Dollar kosten. 

Bereits im Jahr 2014 habe diese Mafia zwischen 10 und 20 Prozent der Stimmen für den Senat gefälscht. Auch bei den diesjährigen Regionalwahlen am 11. März habe es Fälschungen dieser Art gegeben.

Die Staatsanwaltschaft Kolumbiens teilte indes die Festnahmen einer Senatorin und eines Stadtrates wegen Stimmenkaufs zugunsten des rechten Kandidaten Ivan Duque mit – ein Votum für ihn kostete 17 US-Dollar.

Bei der kolumbianischen Wahlbehörde sind im Verlauf des Wahlsonntags über eintausend Anzeigen wegen Unregelmäßigkeiten eingegangen. Der zweitplatzierte Kandidat Gustavo Petro hatte bereits vor einer Woche davor gewarnt, dass die Registrierstelle für die Wahlberechtigten ein Überprüfen der Wahl-Software durch die unabhängige Expertenorganisation Ifes verhindert habe. Auch seiner Partei „Menschliches Kolumbien“ habe man diese Kontrolle verweigert, obwohl sie per Wahlgesetz das Recht dazu habe.

Am 20. Mai erklärte Petro diesbezüglich auf seinem Twitter-Kanal:

Der Staatsrat hat gesagt, dass die Software des Wählerregisters betrügerisch ist. Deswegen forderte er eine technische Überprüfung, die vom Staatsanwalt rechtzeitig beantragt wurde. Die Nationale Wahlkommission hat das nicht zugelassen. Es gibt heute keinen Prüfungstermin für die Software der Stimmenzählung.

Kolumbiens amtierender Präsident Juan Manuel Santos beteuerte hingegen, dass die Kritik unbegründet sei. Die Wahlbeobachtungskommission der Europäischen Union habe zusammen mit Vertretern aller Kandidaten das Funktionieren der Software überprüft.

Doch eine wirkliche Kontrolle kann laut Petro nur von Spezialisten vorgenommen werden, da nur sie die Quellcodes der Software und das Script des Programms hätten untersuchen können. Das falle aber nicht in den Aufgabenbereich der Wahlbeobachter.

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Umfragen und Wahlergebnisse teilweise deutlich auseinander

Die Wahlergebnisse stehen im krassen Gegensatz zu den Umfragen in den sozialen Netzwerken. Dort beteiligten sich zwischen 120.000 und 200.000 Usern und gaben Gustavo Petro zwischen 60 bis 86 Prozent gegenüber einem weit abgeschlagenen Ivan Duque mit 11 Prozent, wobei der Kandidat Sergio Fajardo sogar 17 Prozent erhielt und damit auch vor Duque lag.

Auch bei einer Umfrage unmittelbar nach der Fernsehdiskussion der Präsidentschaftskandidaten unter 148.845 Nutzern konnte Petro mit 46 deutlich besser abschneiden als beim Urnengang am Sonntag.

Die Meinungsforschungsinstitute Gallup und YanHass hatten hingegen für Duque einen Stimmenanteil von 38 bis 41 Prozent prognostiziert, während Petro bei ihnen auf 26 bis 32 Prozent kam. Bei diesen Erhebungen wurden allerdings nur maximal 3.000 Personen befragt.

Neben demokratiepolitischen Defiziten leidet das Land vor allem an sozialer Ungleichheit. Kolumbien hat nach Mexiko und Brasilien die höchste Anzahl an extrem Armen auf dem Kontinent. Die Weltbank bezeichnet Kolumbien als das Land mit der zweitgrößten sozialen Ungleichheit in Lateinamerika. Weltweit nimmt das Land damit den siebten Platz ein.

Auch die Folgen des Jahrzehntelangen Bürgerkrieges sind noch immer drastisch. Noch vor Syrien nimmt Kolumbien mit sieben Millionen Binnenflüchtlinge den weltweit ersten Platz ein. In dem Land gibt es acht Millionen Kriegsopfer, über 60 Prozent davon wurden durch das staatliche Militär verursacht. Hinzu kommen über 80.000 Menschen, die als „verschwunden“ gelten.

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