Lateinamerika

Kolumbien: Kein Geld für den Frieden – viel Geld für den Krieg

Europas finanzielle Unterstützung für den Friedensprozess in Kolumbien ist ohne Kontrolle versickert. Milliardenausgaben für modernste Kriegswaffen haben für Bogota Vorrang. Nach der Auflösung der FARC-Guerilla hat das Militär einen neuen Feind auserkoren: Venezuela.
Kolumbien: Kein Geld für den Frieden – viel Geld für den KriegQuelle: Reuters © Reuters

von Maria Müller

Jahr um Jahr vergrößert Kolumbiens Regierung das Militärbudget. Auch im Jahr 2018 erhält der Verteidigungshaushalt neben dem Erziehungssektor das meiste Geld. Stehen dieses Jahr 11 Milliarden US-Dollar zur Verfügung, so waren es im Jahr 2017 ganze 9,9 Milliarden, davor 8,9 Milliarden. Allerdings untersteht auch die Polizei dem Ministerium der Armee. Im Vergleich dazu übertrifft nur Brasilien mit 24,6 Milliarden Dollar den Etat der Streitkräfte Kolumbiens. Doch Brasilien ist acht mal größer.

Armee und Polizei unterstehen in Kolumbien gemeinsam dem Verteidigungsministerium. Sie umfassen rund 450.000 Uniformierte, die größte aktive Truppe Lateinamerikas. Angesichts der national und international vereinbarten Umwandlung des kolumbianischen Staates für einen dauerhaften inneren Frieden stellt sich auch die Frage nach dem Abbau des umfangreichen und teuren Militär- und Polizeiapparates. Doch sowohl der frühere Verteidigungsminister Juan Carlos Pinzón als auch der gegenwärtige Minister Luis Villegas verwiesen diese Idee stets in den Bereich der Illusionen.

Diana Quintero, Vize-Ministerin für Verteidigung, äußerte sich über die künftige Bedeutung der Armee am deutlichsten:

Wenn wir an eine Zukunft jenseits des Konfliktes denken, müssen wir uns ein Land wie jedes andere vorstellen, das zwar keinen internen Konflikt vorweist, doch in jeder Region der Erde eine wichtige Rolle spielt und seine Streitkräfte dafür benötigt.

Damit gibt die kämpferische Dame indirekt zu, dass die kolumbianische Armee sich darauf vorbereitet, im Rahmen der US-Geopolitik eine militärische Aufgabe zu übernehmen. Denn für sich alleine spielt Kolumbien keine "wichtige Rolle in jeder Region der Erde".

Aus Lateinamerika sind Kriege zwischen "Brüdernationen" schon seit Jahrzehnten verbannt. Doch als militärischer Brückenkopf der USA spielt Kolumbien eine spezielle Rolle. Das Land will den Status eines an die NATO assoziierten Staates erreichen. Die Organisationsstrukturen seiner Armee und die Ausbildung der Truppen wird schon seit Jahren von den USA und Großbritannien an NATO-Standards angepasst. Eine umfassende Modernisierung der Waffen und Ausrüstungen gehört mit dazu. Ganz offensichtlich will man als Einsatztruppe in Lateinamerika als auch weltweit zur Verfügung stehen und dafür das eigene Arsenal mitbringen.

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NATO-Staaten rüsten Kolumbien hoch

Dafür sprechen die Rüstungskäufe der letzten Jahre. Es handelt sich überwiegend um Waffen für einen konventionellen Krieg. Übrigens hat auch die deutsche Rüstungsindustrie von Kolumbiens Waffenhunger profitiert.

Zwischen den Jahren 2013 und 2015 wurden vier gebrauchte U-Boote von HDW auf der Kieler Werft modernisiert. Kosten: rund 200 Millionen Euro. Der Bundessicherheitsrat hat dem Export damals grünes Licht erteilt, da Kolumbiens Marine ein Partner der deutschen Marine sei. Dazu hieß es damals:

Kolumbien bekommt seit Jahrzehnten Ausrüstung für die Marine aus Kiel. Korvetten und Versorgungsschiffe und auch Munition wurden geliefert.

Im Klartext hat Deutschland auch in den finstersten Zeiten des inneren Krieges in Kolumbien unter Verteidigungsminister Juan Manuel Santos nie nach Demokratie und Menschenrechten gefragt. Nie wurden Sanktionen wie im Falle Venezuelas verhängt. Laut Gesetz ist der Waffenexport in Krisengebiete, erst recht außerhalb der NATO, verboten.

Besonders seit dem Jahr 2015 nahmen die Waffenkäufe der kolumbianischen Armee zu. Darunter Jagdflugzeuge mit Raketen für den Luftkampf aus Schweden, komplexe Boden-Luft-Raketensysteme mit bis zu 300 km Metern Reichweite aus Brasilien, Raketen Cruise-Missiles, Drohnen und gepanzerte Kettenfahrzeuge aus Israel, Hubschrauber aus Russland, Boeing-Großraumflugzeuge für Truppen und militärisches Gerät aus den USA, Geländewagen aus Kanada sowie Raketenwerfer, Radargeräte, Kommunikationssysteme und vieles mehr.

Derlei Gerät ist überwiegend nicht für den Dschungelkampf gegen bewaffnete Drogenbanden und Paramilitärs geeignet. Hingegen sollen die U-Boote aus Kiel gegen U-Boote der Drogenmafias eingesetzt werden.

Die teuren Aufrüstungsmaßnahmen Kolumbiens kontrastieren mit der Tatsache, dass sich Polizei und Militär gegenüber den paramilitärischen Organisationen weitgehend passiv verhalten. Das kolumbianische Militär lässt jedoch allmählich die Katze aus dem Sack: Seit einem Monat werden an der Grenze zu Venezuela verstärkt Soldaten und militärisches Gerät stationiert.

Die Zeichen stehen auf Krieg

Die Zeichen sind klar. Sie stehen auf Krieg, trotz anderslautender Erklärungen. In einem Kriegsszenario mit Venezuela wäre eine linke Guerilla im Rücken der kolumbianischen Streitkräfte ein kritischer Störfaktor. Ihre Entwaffnung war vorrangig.

Eine erstarkende Friedenskultur in Kolumbien stünde im politischen Widerspruch zu den mutmaßlichen Kriegsplänen. Unter diesem Blickwinkel passt es, dass die Regierung von Juan Manuel Santos bisher nur 18,3 Prozent ihrer Friedensverpflichtungen erfüllt hat.

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Das staatliche Blockieren, Halbieren, Manipulieren und Zurückweisen der meisten Vorgaben, die bisher seitens der Regierung hätten verwirklicht werden müssen, haben einen Nebeneffekt. Die dafür vorgesehenen Finanzen gehen im Chaos unter. Dass wird von allerhöchster Stelle bestätigt: Der kolumbianische Rechnungshof versicherte in einem Memorandum, nicht in der Lage zu sein, Rechenschaft über die für Friedensmaßnahmen bestimmten Gelder abzulegen. In der Erklärung des Rechnungshofes heißt es:

Der Kontrollorganismus hätte zum Jahresende seinen ersten Bericht über die für den Frieden bestimmten Ressourcen vorlegen müssen. Das langsame Umsetzen der Vereinbarungen erlaubt diese Kontrolle nicht. Unter den gegenwärtigen Bedingungen haben wir nicht die ausreichenden Informationen, um prüfen zu können, wie und ob diese Ressourcen verwendet wurden.

Darin sind ein Großteil der internationalen Zuschüsse mit eingeschlossen, die direkt in die Staatskasse Kolumbiens fließen. Wie gehen die Bundesregierung und die Europäische Union mit der von höchster Instanz bestätigten fehlenden Prüfung der Gelder um? Bis jetzt nur Schweigen! Hier steht die Bundesregierung in der Pflicht, aber auch die Opposition ist aufgerufen, das Thema gründlich zu untersuchen. 

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