Lateinamerika

Wie die Weltbank die Präsidentschaftswahlen in Chile mit manipulierten Wirtschaftsdaten beeinflusste

Nach den Präsidentschaftswahlen in Chile gesteht der Chefökonom der Weltbank ein, manipulierte Wirtschaftsdaten hätten deren Ausgang beeinflusst. Ein schlechtes Wettbewerbsrating sollte einen neoliberalen Kurs als unvermeidlich erscheinen lassen.
Wie die Weltbank die Präsidentschaftswahlen in Chile mit manipulierten Wirtschaftsdaten beeinflussteQuelle: Reuters

von Maria Müller, Montevideo

Einem Bericht des Wall Street Journals zufolge bat der US-Wirtschaftsexperte Paul Romer am 12. Januar das Land Chile um Verzeihung für unvorteilhafte Angaben in den Weltbank-Wettbewerbsrankings der vergangenen Jahre:

Ich möchte mich persönlich bei Chile und bei jedem anderen Land, von dem wir einen falschen Eindruck erweckt haben, entschuldigen.

Die Daten, so wollte Romer nicht ausschließen, seien möglicherweise aus "politischen Motiven des Personals der Weltbank" verändert worden.

Unklar bleibt, ob er damit auch ähnliche Manipulationen im Falle weiterer Länder einräumt. Die Weltbank erstellt jährlich eine internationale Rangliste über die Qualität der Investitionsbedingungen in allen Staaten. Welche Garantien gibt es aber nun, dass diese auch stimmen?

"Wirtschaftlicher Niedergang" unter Bachelet auf Grund veränderter Analysetechnik

Die Weltbank hat den Listenplatz Chiles während der beiden Regierungsperioden der Präsidentin Michelle Bachelet (2006 bis 2010 und 2014 bis 2018) in manipulativer Weise nach unten gedrückt, äußerte sich der leitende Beamte Romer jüngst vor der Presse.

Seit 2006 schwankte die Position Chiles im Ranking zwischen Platz 25 und Platz 57. Nach den Worten Romers hat sich die Platzierung "in den Amtszeiten der Präsidentin Bachelet konsequent verschlechtert", wohingegen sie sich "unter Sebastian Piñera stets stark verbessert" habe.

Die Zahlen für den Jahresbericht "Doing Business" ("Geschäfte machen") entsprachen keinen realen Verschlechterungen in der Wirtschaft Chiles. Romer verdeutlichte, die Weltbank habe wiederholt die Analysetechnik für die Daten beim Erstellen der Berichte verändert. Deshalb könne er für deren Echtheit nicht garantieren.

Die manipulierten Statistiken haben jedoch nicht nur der Regierung Bachelet, sondern dem Land insgesamt und besonders einem Großteil seiner Menschen geschadet. Denn das Herabstufen der Vertrauenswürdigkeit und Rentabilität für Investitionen führte seit 2014 zu einem drastischen Rückgang derselben, im Wahljahr immerhin um die 40 Prozent.

Investitionsrückgang infolge durchwachsener Bewertung als Wahlkampfargument

In der Folge litten mehrere Millionen Chilenen unter einer mangelhaften Versorgungslage und konnten in diesem Zeitraum mit prekären Lohn- und Arbeitsverhältnissen sowie Hungerrenten kaum überleben.

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In seiner Wahlkampagne prangerte der rechtsgerichtete Milliardär Sebastian Piñera dann auch die angeblich schlechten Daten der chilenischen Wirtschaft und die ausbleibenden Investitionen unter Bachelet an. Als Lösung konnte er so ein neoliberales Rezept mit einer Lockerung von Arbeits- und Sozialrechten als notwendig darstellen. Damit hatte er Erfolg.

Während des Wahlkampfes schrieb er auf Twitter: "Während unsrer Regierung haben wir die Armut halbiert. Nach Angaben der Weltbank würde sie mit NM (Nueva Mayoría) wieder ansteigen." (31. Oktober 2017)

Weltbankökonom Paul Romer soll aber nicht der Hauptverantwortliche des mutmaßlichen Komplotts sein. Im Mittelpunkt steht der bolivianische Finanzexperte Augusto López-Claros. Er habe die Zahlen gefälscht.

Der offenbare Fachmann in großformatiger Wirtschaftsmanipulation arbeitete im Internationalen Währungsfonds und ist seit 2011 als Direktor bei der Weltbank im Bereich "Globale Indikatoren und Analyse" tätig. Ihm untersteht auch die Ranking-Studie von "Doing Business". Zuvor hatte er fünf Jahre lang den Posten eines Direktors bei der Firma Lehman Brothers International inne. Lehman ging 2008 bankrott und beschleunigte damit die globale Banken- und Wirtschaftskrise.

López-Claros soll mit Beamten aus dem Umkreis des nun gewählten Präsidenten Sebastian Piñera in Kontakt stehen. Besonders mit dem Ex-Minister und Generalsekretär des Präsidialamtes von Piñera, Cristián Larroulet, sowie mit dessen früheren Wirtschaftsminister Pablo Longueira und dem ehemaligen Untersekretär des Wirtschaftsministeriums, Tomás Flores, soll ihn jeweils eine Männerfreundschaft verbinden. 

Bachelet fordert tiefgreifende Untersuchung

López-Claros behauptete hingegen gegenüber der Presse, er kenne Sebastian Piñero nicht persönlich. Seine Arbeit sei nie politisch beeinflusst gewesen.

Die noch bis zum März amtierende Präsidentin Chiles, Michelle Bachelet, erklärte, sie werde von der Weltbank eine "vollständige Untersuchung" fordern.

"Neben der schlechten Position Chiles im Ranking der Weltbank geht es auch um den Ruf der Bank selbst. Durch die Datenmanipulationen wird die Glaubwürdigkeit einer Institution beschädigt, die für die internationale Gemeinschaft vertrauenswürdig sein muss", äußerte sie sich über Twitter.

Weltbank ohne Herz für progressive Regierungen in Lateinamerika

Die Weltbank blickt zudem auf eine zutiefst politisch motivierte Geschichte hinsichtlich ihrer Praxis zur Darlehensvergabe zurück. So entzog sie dem demokratisch gewählten chilenischen Präsidenten Salvador Allende (1970-73) jede finanzielle Unterstützung, aber gewährte der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet wieder großzügige Kredite. Zuvor, in Brasilien, stand der 1964 demokratisch gewählte Präsident Joao Goulart bei der Weltbank vor verschlossenen Türen, wohingegen die ihn entmachtende grausame Militärdiktatur sofort finanzielle Unterstützung fand.

Als es in Nicaragua nach 50 Jahren Diktatur zum ersten Mal Wahlen gab und Daniel Ortega 1984 Präsident wurde, stornierte die Weltbank alle Kredite. Die ihm folgende rechte Regierung von Violeta Chamorro 1990 hat sie wieder freigebig unterstützt. Die Weltbank weist starke Züge eines Instruments zur Umsetzung der westlichen Geopolitik auf.

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