Lateinamerika

Nach dem Abgang von Juan Guaidó: Venezolanische Opposition auf Betteltour durch Europa

Die venezolanische Opposition, die 2019 Juan Guaidó zum Interimspräsidenten ernannte und Sanktionen gegen ihr eigenes Land forderte, begibt sich nun auf eine Tour durch Europa mit der Bitte um Versöhnung und Dialog. Ihre Erfolgsaussichten? Eher düster.
Nach dem Abgang von Juan Guaidó: Venezolanische Opposition auf Betteltour durch Europa© Twitter / Jorgerpsuv

Von Ociel Alí López

Dieselbe venezolanische Opposition, die 2019 Juan Guaidó in der Nationalversammlung zum Interimspräsidenten ernannte und offen Sanktionen gegen ihr eigenes Land forderte, begibt sich nun auf eine Tour durch Europa mit der Bitte um Versöhnung und Dialog. Die Regierungen, die damals die Strategie der Umsturzversuche unterstützten, sollen nun die am Verhandlungstisch erzielten Vereinbarungen zwischen der Regierung von Nicolás Maduro und der Opposition mittragen. Ganz besonders in einem entscheidenden Punkt: Sie sollen die in europäischen Banken "eingefrorenen" Milliardenbeträge Venezuelas herausgeben.

Diese internationalen Reserven Venezuelas wurden zurückgehalten, seit Washington 2019 die ohnehin extremen Finanzsanktionen gegen Venezuela noch weiter verschärft hat. Es handelt sich um über drei Milliarden Dollar, die in Banken in Großbritannien, Portugal und den USA lagern. Die räuberischen Maßnahmen zur Auffrischung des Eigenkapitals der westlichen Geldinstitute sollten nach dem offiziellen Narrativ Venezuela die Rückkehr zur Demokratie erleichtern und den Rücktritt des Präsidenten Maduro erzwingen.

Doch nach dem Beginn des Krieges in der Ukraine und dem darauffolgenden Boykott russischen Öls suchten eilige Emissäre der USA bei mehreren Besuchen im Regierungssitz in Caracas erneut den Zugang zu den venezolanischen Ölreserven. Die Venezolaner nutzten die scheinbare Öffnung der US-Außenpolitik, um die Beziehungen zu normalisieren. Die Verhandlungen mit der radikalen Opposition am Dialogtisch in Mexiko kamen wieder in die Gänge und führten zu bedeutenden Ergebnissen – für die USA.

Mal wieder ausgetrickst

Man vereinbarte im "Zweiten Teilabkommen zum Schutz des venezolanischen Volkes" Vorteile für beide Seiten. Der US-Ölkonzern Chevron erhielt die Erlaubnis, ohne Abgaben an die Staatskasse Venezuelas Schweröl zu fördern und zu verkaufen. Im Gegenzug sollten die drei Milliarden Dollar der UNO-Verwaltung übergeben werden, um humanitäre und soziale Projekte in Venezuela zu finanzieren.

Heute arbeitet Chevron in Venezuela, doch von den drei Milliarden floss bis jetzt kein Cent. Die Oppositionsparteien müssen dafür politisch geradestehen und ihre bisherigen Verbündeten in Europa und Amerika dazu bewegen, diesen Teil der Zusagen zu erfüllen. Andernfalls hätten sie kaum Chancen, bei den kommenden Präsidentschaftswahlen irgendetwas zu gewinnen. Denn ihr Problem ist nun, dass sie diesmal im Gegensatz zu 2018 an der bevorstehenden Wahlveranstaltung 2024 teilnehmen wollen.

Die Regierung Maduro hat nachdrücklich die Einhaltung des Vertrags gefordert, der unter der Vermittlung des Königreichs Norwegen und der mexikanischen Regierung unter Beteiligung der Niederlande und Russlands als jeweilige "Partner" unterzeichnet wurde.

Die Konsequenzen der Nichterfüllung

Als Konsequenz der Nichterfüllung ist der interne Dialog im Karibikstaat vorerst auf Eis gelegt, man kann keine neuen politischen Vereinbarungen erzielen, das politische Feigenblatt einer Demokratisierung Venezuelas ist den USA und Europa plötzlich nicht mehr so wichtig. Der Film mit der Farbenrevolution in Venezuela ist zu Ende.

Inzwischen schreitet die Zeit in Richtung Wahltag voran und die Regierungspartei hat damit gedroht, das Datum vorzuziehen, was für die Opposition die Dringlichkeit zu verhandeln verstärkt.

Nun hat sie eine Europa-Tournee unternommen, um ihre Verbündeten für die Notwendigkeit der Verhandlungen in Mexiko zu sensibilisieren und zu sondieren, womit die Freigabe der venezolanischen Finanzen beschleunigt werden könnte. Allerdings war der bisherige Verhandlungsführer der Gruppe, Gerardo Blyde, bei der Rundreise nicht dabei. Blyde gehört zu den gemäßigten Stimmen im Chor der Maduro-Gegner.

Wenn die Europäer nicht davon überzeugt werden können, diese Gelder an die UNO zu überweisen, wird es für die Opposition schwierig, im Gegenzug bessere Bedingungen für die Wahlbeteiligung zu erhalten.

Die Reise begann mit einem Treffen am 30. Januar mit dem Minister für auswärtige Angelegenheiten der Europäischen Union, José Manuel Albares. Dabei habe man die spanische Regierung um Vermittlung bei den Verhandlungen gebeten.

Die Tour umfasste auch Treffen in Brüssel, Berlin und Lissabon. Leider erzielte die Delegation keine konkreten Ergebnisse. Zum Abschluss gab es noch nicht einmal offizielle Verlautbarungen, was auf dem diplomatischen Parkett einer Abfuhr gleichkommt.

Brüskierung der venezolanischen Delegation?

Oppositionsführer Tomás Guanipa berichtete als Sprecher der Delegation vom Treffen mit dem portugiesischen Außenminister João Gomes Cravinho, den er aufforderte, "Venezuela nicht als hoffnungslosen Fall zu sehen". Portugal ist in dieser Frage ein wichtiges Land, da eine seiner Banken mehr als eine Milliarde Dollar aus den internationalen Reserven Venezuelas einbehalten hat. Guanipa erwähnte dies jedoch nicht, als er das Treffen verließ.

Nach dem Abschluss der Reise liegt angesichts der Kälte und der vagen Erklärungs- und Protokollangebote, mit der Europa die venezolanische Delegation empfangen hat, der Schluss nahe, dass die Treffen das derzeitige Szenario des Abbruchs der Verhandlungen kaum ändern werden.

Sicherlich haben die Oppositionsführer ihren europäischen Gesprächspartnern gute Wünsche entlockt, aber es wurde nicht öffentlich bekannt, ob diese sich auch bereit erklärt haben, bei der Freigabe der Milliarden einzugreifen. Die Opposition braucht die europäischen Tonangeber, um Bewegung in das Spiel am Verhandlungstisch zu bringen. Die Versuche scheinen jedoch zumindest während der Tour nicht von Erfolg gekrönt gewesen zu sein.

Offenkundig muss die Entscheidung für einen Beschluss des Office of Foreign Assets Control (OFAC) warten, der die Aufhebung von Sanktionen ermöglicht. Erst dann können die einbehaltenen Ressourcen und auch die Verhandlungen fließen.

Mit alledem mag die Europa-Tournee im Januar 2023 ein "verlorener" Weg der Opposition gewesen sein. Auch hat sie keinen Haltungswandel seitens Washingtons erreicht, der flexibel genug wäre, den den Dialog am Verhandlungstisch in Mexiko wiederzueröffnen.

Spaltung zwischen Gemäßigten und Radikalen

Inzwischen haben in Venezuela wichtige Oppositionsführer, die sich bereits im Rennen um die Präsidentschaft befinden, ein Ende der Blockade des Landes gefordert. Mit der offenen Distanzierung durch Politiker in den eigenen Reihen zeigt die Opposition einmal mehr ihren inneren Bruch.

Auch der rechtsradikale Politiker Freddy Guevara der "Voluntad Popular" enthüllte erneut die Spaltung in der rechten Parteienkoalition. Er kritisierte die Reden der gemäßigteren Oppositionsführer, in denen sich diese nun gegen die Sanktionen der USA und Europas aussprechen.

Guevara und seine Partei wollen die Freigabe der zurückgehaltenen Ressourcen und damit die Wiederaufnahme des Dialogs verhindern. Sie sind für die Teilnahme an Demonstrationen bekannt, bei denen es zu schweren Gewaltausbrüchen kam.

Überarbeitete Übersetzung aus dem Spanischen

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