Lateinamerika

Die "humanitäre" Agentur USAID als Schlüsselinstrument im Kampf gegen Venezuela

Vorwürfe, dass die Agentur für Entwicklungshilfe der US-Regierung tatsächlich ein "Trojanisches Pferd" für Regimewechsel ist, kursieren seit Jahren, wurden jedoch immer strikt zurückgewiesen. Nun scheint Washington dies jedoch schriftlich bestätigt zu haben.
Die "humanitäre" Agentur USAID als Schlüsselinstrument im Kampf gegen VenezuelaQuelle: www.globallookpress.com © Elyxandro Cegarra / ZUMAPRESS.com

von Kit Klarenberg

Bereits am 16. April veröffentlichte die Aufsichtsabteilung der US-amerikanischen Agentur für internationale Entwicklung (USAID) einen Überblick über die Aktivitäten der Organisation in Venezuela von Januar bis April 2019. Die entlarvenden Befunde wurden von den Mainstream-Medien fast überall bis heute ignoriert.

In der chaotischen Zeitspanne von Januar bis April 2019 hatte sich Juan Guaidó zum amtierenden und rechtmäßigen Präsidenten des Landes erklärt und die Legitimität des gewählten Präsidenten Nicolás Maduro in Frage gestellt, was zu gewaltsamen Unruhen auf den Straßen von Caracas bis hin zu einem gut dokumentierten Vorfall am 23. Februar führte, bei dem mehrere Lastwagen mit "humanitären Gütern" von USAID aus Kolumbien nach Venezuela am Grenzübergang angehalten und in Brand gesteckt wurden. Sofort gaben westliche Nachrichtenagenturen und Politiker den venezolanischen Regierungstruppen die Schuld an der Brandstiftung und deuteten die Aktion als einen niederträchtigen Versuch, die Lieferung von lebenswichtigen Gütern für die Bürger Venezuelas zu unterbinden.

Der Journalist Max Blumenthal war zu diesem Zeitpunkt jedoch tatsächlich in Venezuela vor Ort und fand überzeugende Beweise dafür, dass die Brände von Anti-Maduro-Aktivisten ausgelöst worden waren. Zwei Wochen später veröffentlichte die New York Times Videobeweise, die belegten, dass dies tatsächlich der Fall war, ohne anzuerkennen, dass Blumenthal die Sache bereits entlarvt hatte. Das Ereignis wird im USAID-Bericht ausdrücklich erwähnt, und obwohl der Text sehr euphemistisch gehalten ist, scheint es, dass die Hilfe nie dazu gedacht war, Caracas zu erreichen, und die Brände eine von Washington inszeniertes Ereignis unter "falscher Flagge" waren.

In Interviews mit Ermittlern gaben hochrangige Mitarbeiter von USAID zu, dass die Programme der Agentur "außenpolitischen Leitlinien des Nationalen Sicherheitsrates und des Außenministeriums unterliegen", was "die Fähigkeit von USAID beeinträchtigen kann, sich an humanitäre Grundsätze zu halten und operationelle Risiken zu mindern". Mit anderen Worten, unabhängig davon, welche positiven Absichten die Verteilung von Hilfe in einigen Bereichen haben mag, ist die Agentur letztendlich dem US-Militär und den Geheimdiensten verantwortlich und unternimmt gleichzeitig Aktivitäten, die alles andere als humanitär sind. Aus dem Bericht geht hervor, dass USAID als Reaktion auf solche "Richtlinien" – zu denen Maßnahmen gehören, "die von humanitären Grundsätzen abweichen" – diese Lastwagen an die venezolanische Grenze schickte. Das Außenministerium und der Nationale Sicherheitsrat sollen sich zu diesem Zweck speziell an USAID gewandt haben, nachdem die US-Regierung im Januar und Februar 2019 "humanitäre Hilfe" von USAID für Venezuela als Schlüsselinstrument zur "Erhöhung der Unterstützung" für Guaidós illegitime "Übergangsregierung" identifiziert hatte, und um "den Druck auf das Maduro-Regime erhöhen".

Obwohl es erstaunlich ist, dass die undurchsichtige Rolle von USAID in einem offiziellen Bericht, der für die Öffentlichkeit bestimmt ist, benannt wird, ist die weitreichende, heimtückische Rolle, mit der die Agentur an den Bemühungen der USA, die Bolivarische Revolution in Venezuela rückgängig zu machen, seit 2010 bekannt. In jenem Jahr veröffentlichte WikiLeaks ein Fernschreiben der US-Botschaft in Caracas von 2006, das an diplomatische Vertretungen der USA auf der ganzen Welt übermittelt wurde – einschließlich jener in der Vatikanstadt.

Darin wurde berichtet, wie im August 2004 der damalige US-Botschafter in Venezuela die "Fünf-Punkte-Strategie" seines Teams definiert habe, zu der die "Unterwanderung der politischen Basis von [Hugo] Chávez", die "Spaltung des Chavismus", "der Schutz vitaler US-Interessen" und die "internationale Isolierung von Chávez" gehörten. Das Office of Transition Initiatives (Büro für Übergangsinitiativen, OTI) von USAID, das laut Selbstbeschreibung "schnelle, flexible und kurzfristige Hilfe bei wichtigen politischen Übergängen bietet" – mit anderen Worten: Regimewechsel erleichtert –, sollte dabei eine zentrale Rolle spielen. Zu den Aktivitäten des OTI in Venezuela gehörte die Unterstützung von über 300 NGOs "mit technischer Hilfe, Kapazitätsaufbau, Vernetzung untereinander sowie mit internationalen Bewegungen und finanzieller Unterstützung von mehr als 15 Millionen US-Dollar".

Viele der NGOs, zu denen Initiativen gehörten, die sich "mit den Rechten von Behinderten befassen" oder der "revolutionären Ideologie" durch "staatsbürgerliche Bildung" entgegenwirken, sollen speziell aus Mitteln der OTI-Finanzierung ins Leben gerufen worden sein. Ein Trojanisches Pferd, denn die Bemühungen zur Destabilisierung von Venezuela durch USAID wurden nicht immer unter der vordergründigen Förderung von Demokratie und Menschenrechten durchgezogen.

Zum Beispiel wurde 2014 bekannt, dass das OTI ein "kubanisches Twitter" namens ZunZuneo gegründet hatte, um Unruhen innerhalb Kuba zu schüren. Das soziale Netzwerk wurde über ein Geflecht von dubiosen Scheinunternehmen errichtet und von internationalen Banken finanziert. Innerhalb von zwei Jahren haben Zehntausende Kubaner Accounts bei ZunZuneo eingerichtet. Der Plan war, eine empfängliche Zielgruppe aufzubauen und diese dann dazu zu bringen, die Regierung von Raúl Castro abzusetzen. Die Nutzer waren sich überhaupt nicht bewusst, dass das soziale Netzwerk von USAID betrieben wurde und dass ihre sensiblen persönlichen Daten heimlich für den Fall eines potenziellen zukünftigen Staatsstreichs gesammelt wurden. Als Reaktion auf den Skandal sagte der damalige Pressesprecher des Weißen Hauses, Jay Carney: "USAID ist eine Agentur für internationale Entwicklung, kein Geheimdienst."

Seit Jahrzehnten ist jedoch bekannt, dass das Gegenteil davon zutrifft, und das nicht ohne Grund. Von 1962 bis 1974 war das Office of Public Safety (Amt für öffentliche Sicherheit, OPS) eine Kernabteilung von USAID, die im Laufe ihres Bestehens Tausende von Polizeibeamte in 49 Ländern ausbildete und ihnen Ausrüstung im Umfang von zig Millionen Dollar zur Verfügung stellte. Der Leiter des Amtes war Byron Engle, ein ehemaliger Mitarbeiter der CIA. Das OPS gab seinen Mitarbeitern im Ausland eine legitime Tarnung, half der CIA, Leute in Polizeikräfte der für Washington interessanten Länder einzuschleusen, und betätigte sich auch als Anwerber für potenzielle Agenten. In den späten 1960er-Jahren wurde das OPS Gegenstand einer Untersuchung durch den US-Kongress, aufgrund von Vorwürfen, in denen es mit Folter, Mord und dem Verschwindenlassen von Menschen in Lateinamerika in Verbindung gebracht worden war.

Ein Bericht des Amtes für Rechenschaftspflicht der US-Regierung über das OPS, der zwei Jahre nach dessen Auflösung veröffentlicht wurde, kam zu dem Schluss, dass die Einheit "Polizeibrutalität gefördert oder geduldet, den Einsatz von Terror- und Foltertechniken gelehrt sowie die Schaffung von Polizeistaaten gefördert hat". Vorwürfe, die, wenig überraschend, von offiziellen Regierungsbeamten zurückgewiesen wurden. Dieser Bericht enthüllte auch, wie umfassend Polizeikräfte in Ländern unterstützt wurden, die für ihre brutale Behandlung politischer Dissidenten berüchtigt sind, darunter Indonesien, die Philippinen, Saudi-Arabien, Thailand und Vietnam.

Glücklicherweise scheint niemand infolge der undurchsichtigen Machenschaften von USAID in Venezuela gefoltert oder getötet worden zu sein, obwohl der Bericht der Aufsichtsabteilung vom 16. April weit entfernt von einer glühend positiven Bewertung der Aktivitäten der vom Nationalen Sicherheitsrat und des Außenministeriums gelenkten USAID war. Zum Beispiel hätten die Verantwortlichen von USAID in Kolumbien "die Betrugsrisiken nicht bewertet oder Strategien zur Risikominderung mit Maßnahmen zur Betrugsbekämpfung entwickelt", was bedeutet, dass Guaidó und seine Übergangsregierung möglicherweise "unermessliche Gelder und humanitäre Güter" gestohlen haben.

Immerhin wurde im Juni 2019 bekannt, dass das die Gefolgschaft von Guaidó, darunter Hunderte von Überläufern der venezolanischen Streitkräfte, mit ihrem Appetit auf "Prostituierte, Alkohol und Gewalt" riesige Summen an Hilfsgeldern für teure Abendessen, Nachtclubs und Einkaufstouren in Bogotá ausgegeben hatten, während sie auf den Untergang von Maduro warteten. Die Hotels, in denen sie und ihre Familien übernachtet hatten, blieben drei Monate lang unbezahlt, obwohl Guaidó versprochen hatte, die Rechnungen zu begleichen, was schlussendlich zu deren Rausschmiss führte. Angesichts der Bemühungen, die legitime Regierung Venezuelas zu stürzen, die bis dato alle fehlgeschlagen sind, ist es wahrscheinlich, dass die marode Exilregierung von Guaidó eine noch höhere Rechnung angehäuft hat. Wer diese letztendlich begleichen wird, ist unklar.

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Kit Klarenberg ist ein investigativer Journalist, der die Rolle von Geheimdiensten bei der Gestaltung von Politik und Wahrnehmung untersucht. Folgen Sie ihm auf Twitter @KitKlarenberg

Mehr zum Thema - Studie zu Venezuela: US-Sanktionen schädigen massiv die Wirtschaft und treffen arme Bevölkerung

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.