Afrika

Ein Land mit zwei Premierministern: Libyen droht erneutes Abgleiten ins Chaos

Das Parlament in Ostlibyen stimmte für einen neuen Regierungschef, während der amtierende Premier Dbeiba in Tripolis knapp einem Anschlag entging. Er erkannte seine verkündete Absetzung nicht an. Der Schritt des Abgeordnetenhauses in Tobruk mit der dortigen Ernennung eines neuen Übergangsregierungschefs verstärkt die Besorgnisse um das Wiederaufleben einer Spaltung des Landes zwischen dem Osten und dem Westen wie im Jahre 2014.
Ein Land mit zwei Premierministern: Libyen droht erneutes Abgleiten ins ChaosQuelle: AFP © Mahmud Turkia

Das libysche Abgeordnetenhaus im Osten des Landes hat den Übergangsregierungschef Abdel Hamid Dbeiba durch die Wahl eines anderen Politikers als Ministerpräsident herausgefordert und damit die Spannungen im Land wieder angeheizt. Das in der östlichen Stadt Tobruk ansässige Parlament habe "einmütig" für den ehemaligen Innenminister Fathi Baschagha als dem neuen Ministerpräsidenten gestimmt. Das teilte der Parlamentssprecher Abdallah Blihek am Donnerstag mit.

Das Votum für Baschagha dürfte die Rivalität zwischen dem Parlament im Osten und der Regierung in Tripolis im Westen erneut anheizen. Die Parlamentsabstimmung erfolgte wenige Stunden nach einem gescheiterten Attentat auf Dbeibas Konvoi in Tripolis. Dbeiba war offenbar auf dem Weg zu seinem Haus in Tripolis, als Bewaffnete plötzlich auf seinen Wagen schossen. Er und seine Begleiter blieben bei der Attacke in der Nacht auf Donnerstag unverletzt.

Die derzeitige Übergangsregierung unter Dbeiba ist das Ergebnis eines Dialogforums unter Schirmherrschaft der UNO. Sie löste im letzten Jahr die von den UN anerkannte Regierung mit Sitz in Tripolis ebenso wie die Gegenregierung mit Sitz im Osten des Landes ab. Sie sollte Libyen bis zu landesweiten Wahlen am 24. Dezember 2021 führen. Die bereits terminierte Präsidentschaftswahl wurde aber angesichts der Unstimmigkeiten über Gesetze zur Regelung der Wahlen und der Präsidentschaftskandidatur auf unbestimmte Zeit verschoben.

Mittlerweile erklärte Dbeiba, dass er keine "parallele Autorität" im Land anerkennen und die Macht nur an eine aus allgemeinen Wahlen hervorgegangene Regierung abtreten werde. "Die Wahl einer neuen Regierung durch das Parlament ist ein weiterer Versuch, gewaltsam in Tripolis einzudringen", sagte er dem libyschen Fernsehsender Al Ahrar und versprach auch, ein neues Wahlgesetz auszuarbeiten, um die politische Krise des Landes zu überwinden.

Im April 2019 begann der faktisch im Osten Libyens herrschende General Chalifa Haftar eine Offensive, um die Hauptstadt Tripolis im Westen zu erobern. In dieser Offensive demonstrierte auch die Türkei ihre Macht militärisch, indem die auf ihre Unterstützung angewiesenen libyschen Milizen die Truppen von General Haftar daran hinderten, Tripolis einzunehmen.

Der Hohe Staatsrat Libyens gab allerdings in dieser Woche grünes Licht für Abstimmung über einen neuen Premierminister. Der Hohe Staatsrat Libyens entspricht einem Senat. Er hat seinen Sitz in der Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes. Die Vereinten Nationen erkennen Berichten zufolge weiterhin Dbeiba als Regierungschef an, wie der UN-Sprecher Stéphane Dujarric nach der Parlamentsabstimmung in Tobruk bekräftige. 

Während der Sitzung über die Ernennung des neuen Premiers stimmten die Abgeordneten auch über eine Reihe von Verfassungsänderungen ab, welche unter anderem auch einen Fahrplan für die Wahlen zur Bildung einer demokratischen Regierung umfassen. Die Änderungen sehen die Schaffung einer neuen Wahlkommission und die Ernennung eines 24-köpfigen Ausschusses vor, der alle drei Regionen des Landes repräsentiert, um eine neue Verfassung auszuarbeiten. Am Donnerstagabend flog Baschagha von Tobruk nach Tripolis und versprach, "ein neues Kapitel aufzuschlagen". Es bleibt bislang unklar, wie Baschagha  in Tripolis regieren will, während Dbeiba sich weiterhin als legitimer Regierungschef ansieht.

Haftar und sein Militär begrüßten den Schritt des Parlaments am Donnerstag. Dbeiba und Baschagha können jeweils auf die Unterstützung rivalisierender bewaffneter Gruppen zählen. Der Schritt des Parlaments verstärkt nun die Besorgnisse, dass sich mit der Ernennung eines neuen Premierministers eine Spaltung des Landes zwischen dem Osten und dem Westen wie im Jahre 2014 wiederholen könnte, als zwei parallele Regierungen entstanden.

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