Afrika

Gefahr der Spaltung Libyens wächst wieder: Parlament im Osten will neuen Premierminister ernennen

Das libysche Parlament im Osten des Landes wird einen neuen Premierminister zum Vorsitzenden der Übergangsregierung ernennen. Das wird die Spaltung der libyschen Gesellschaft verstärken. Ausländische Akteure im Land sind dabei, sich neu zu orientieren. Auch die Türkei scheint in ihrer Libyen-Strategie einen Kurswechsel einzuschlagen.
Gefahr der Spaltung Libyens wächst wieder: Parlament im Osten will neuen Premierminister ernennenQuelle: AFP © Yoan Valat

Das libysche Parlament in Tobruk im Osten des Landes wird diese Woche einen neuen Premierminister zum Vorsitzenden der Übergangsregierung ernennen. Der Schritt wird die Spaltung des Landes wieder vorantreiben, nachdem bereits die geplante Präsidentschaftswahl in Libyen Ende Dezember 2021 abgesagt worden war. Die Spaltung zwischen der Übergangsregierung unter dem amtierenden Ministerpräsidenten Abdul Hamid Dbeiba und dem libyschen Parlament hatte sich letztes Jahr offenbart, als beide Seiten über ein Wahlgesetz im Libyen stritten.

Zwei Kandidaten – der frühere Innenminister Fathi Baschagha und der Ministerberater Khalid al-Baibas – erschienen am Montag in einer Parlamentssitzung in der östlichen Stadt Tobruk, um ihre Pläne vorzustellen und ihre Angebote als potenzielle Nachfolger von Premierminister Abdul Hamid Dbeiba vorzulegen.

Parlamentssprecher Aguila Saleh Issa sagte, eine Abstimmung über die Ernennung eines neuen Premierministers werde am Donnerstag nach Konsultationen mit dem Hohen Staatsrat des Landes stattfinden. Der Hohe Staatsrat Libyens entspricht einem Senat. Er hat seinen Sitz in der Hauptstadt Tripolis im Westen des Landes.

Der Versuch des Parlaments im Osten, eine neue Regierung zu ernennen, ist im Grunde ein schwerer Rückschlag für die UN-Mission im Land, die sich letztes Jahr dafür eingesetzt hatte, das Land wieder unter einer Regierung zu vereinen. Die derzeitige Übergangsregierung war nämlich das Ergebnis eines Dialogforums unter Schirmherrschaft der UNO. Sie löste die von den UN anerkannte Regierung mit Sitz in Tripolis ebenso wie die Gegenregierung mit Sitz im Osten des Landes ab. Sie sollte Libyen bis zu landesweiten Wahlen am 24. Dezember 2021 führen. Die bereits terminierte Präsidentschaftswahl wurde aber angesichts der Unstimmigkeiten über Gesetze zur Regelung der Wahlen und der Präsidentschaftskandidaten auf unbestimmte Zeit verschoben.

Der amtierende Premierminister Dbeiba hat mehrfach gesagt, dass er mit seiner Übergangsregierung an der Macht bleiben werde, bis "echte Wahlen" stattfinden, während Abgeordnete im Parlament argumentieren, dass sein Mandat faktisch bereits am 24. Dezember 2021 endete. Er hat daraufhin den Parlamentssprecher Saleh, der sich für seine Ablösung einsetzte, beschuldigt, die Spaltung des Landes zu schüren und auf die Ausarbeitung einer neuen Verfassung vor den neuen Wahlen zu drängen.

Khaled al-Mishri sagte als der Vorsitzende des Hohen Staatsrates, die Mitglieder des Rates hätten sich mit dem Parlament darauf geeinigt, einen definierten Fahrplan für die Wahlen zu verabschieden, selbst wenn bereits eine neue Regierung ernannt wird.

"Wir haben der Forderung des Parlaments nach einem Regierungswechsel zugestimmt, aber es ist notwendig, zuerst den verfassungsmäßigen Weg für die Wahlen festzulegen", sagte er am Sonntag auf einer Pressekonferenz in Tripolis. Bewaffnete Gruppen in Westlibyen haben allerdings ihren Einspruch gegen einen Regierungswechsel vor den neuen Wahlen angekündigt.

Der Schritt des Parlaments verstärkt nun die Besorgnisse, dass sich bei der Abstimmung am Donnerstag eine Spaltung des Landes zwischen dem Osten und dem Westen wie im Jahre 2014 wiederholen könnte, als zwei parallele Regierungen entstanden. Damals brach ein bewaffneter Konflikt zwischen der von UNO anerkannten ehemaligen Einheitsregierung von Fayiz as-Sarradsch im Westen und dem faktisch im Osten Libyens herrschenden General Chalifa Haftar aus. 

Libyen ist in den letzten Jahren zum Schauplatz zahlreicher Stellvertreterkonflikte geworden, unter anderem unter Beteiligung von Ägypten, Russland, der Türkei und der Vereinigten Arabischen Emirate sowie weiteren westlichen Ländern, nachdem Muammar al-Gaddafi 2011 durch eine NATO-Intervention gestürzt worden war. Allerdings ist in letzter Zeit in Libyen auch zu beobachten, dass ausländische Akteure dabei sind, sich neu zu orientieren. Auch die Türkei scheint einen Kurswechsel in ihrer Außenpolitik bezüglich Libyens eingeschlagen zu haben. Der türkische Botschafter in Libyen, Kenan Yılmaz, traf sich am 19. Januar mit dem libyschen Parlamentssprecher Saleh in Tobruk. 

Yılmaz sagte in Presseerklärungen, es gebe Pläne, das türkische Generalkonsulat in Bengasi wieder zu eröffnen, das seit 2014 während der Verschärfung der Konflikte geschlossen blieb. Die Türkei stellte sich seit 2014 auf die Seite der Regierung im Westen Libyens. Die von Ankara organisierten Söldner wurden somit 2019 eingesetzt, um eine Militäroffensive des libyschen Generals Chalifa Haftar auf die Hauptstadt Tripolis im Westen erfolgreich zu stoppen. Nun mehren sich die Anzeichen, dass sich die Kräfteverhältnisse mutmaßlich zugunsten der Funktionäre im Osten verschoben haben.

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