Türkei: Schlag gegen die Pressefreiheit oder legitimer Selbstschutz?

In der Türkei wurde vor zwei Wochen eine landesweite Polizeirazzia durchgeführt, die sich unter anderem gegen Medien richtete, die dem "Gülen-Netzwerk" nahestehen. Die Regierung wirft den Anhängern des in den USA lebenden Predigers vor, einen "Parallelstaat" geschaffen zu haben. Im Westen sieht man hingegen die Pressefreiheit in der Türkei in Gefahr.
Türkei: Schlag gegen die Pressefreiheit oder legitimer Selbstschutz?

Während im Westen Kritik an der türkischen Regierung nach der jüngsten Polizeirazzia gegen Medien geübt wird und die Türkei beschuldigt wird, eines jener Länder zu sein, in denen Journalisten weltweit die meisten Repressionen zu befürchten hätten, bezeichnete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan am Freitag sein Land als eines der freiesten Länder der Welt.

In den letzten Jahren standen die meisten Inhaftierungen von Journalisten in der Türkei im Zusammenhang mit harten Antiterrorgesetzen, die sich vor allem gegen die separatistische Kurdische Arbeiterpartei (PKK) und deren Sympathisantenumfeld richteten und noch aus der Zeit der Hegemonie des Militärs im Land stammten, sowie mit der Aufdeckung des nationalistischen "Ergenekon"-Netzwerkes im Jahre 2007, das im Inneren des Staates wirkte und durch eine "Strategie der Spannung" als auch gezielte gesetzeswidrige Aktionen die erstmals 2002 an die Macht gewählte islamisch-konservative Regierung der "Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung" (AKP) unterminieren sollte.

Ähnliches wird nun auch dem "Hizmet"-("Dienst-")Netzwerk vorgeworfen. Sie soll den Kern eines "Parallelstaates" bilden, weshalb vor zwei Wochen eine Polizeirazzia gegen Personen durchgeführt wurde, die diesem angehören und unter denen sich Chefredakteure und Mitarbeiter von Medien wie der Zeitung "Zaman" und dem Fernsehsender "Samanyolu TV" befanden. Das Hizmet-Netzwerk beruft sich auf die Ideen des islamischen Reformpredigers Fethullah Gülen, der seit 1998 in den USA lebt und dem bereits in jenen Zeiten, da die streng säkularistischen Eliten, die sich als legitime Hüter des Gedankengutes von Republiksgründer Mustafa Kemal Atatürk empfanden, das Sagen im Staat hatten, subversive Aktivitäten und die Unterwanderung staatlicher Institutionen nachgesagt wurden.

Beweise für diese Vorwürfe gab es indessen kaum. Die Bedeutung der Hizmet- oder Gülen-Bewegung gründete sich vor allem auf das von ihr betriebene Netz privater Vorbereitungsschulen für die Aufnahmeprüfungen an Universitäten ("Dershanes"), das zuvor marginalisierten Bevölkerungsschichten aus der anatolischen Provinz sozialen Aufstieg ermöglichte, sowie auf ihr Medienimperium.

Das Privatschulnetz der Gülen-Bewegung umspannte bald nicht nur die Türkei, sondern umfasst mittlerweile mehr als 1400 Schulen in mehr als 100 Ländern der Welt. Kemalistische Gegner der Schulen verdächtigten die Gülen-Anhänger unter anderem, vor allem in Zentralasien beim Aufbau ihrer Bildungseinrichtungen mit der CIA zusammengearbeitet zu haben. Die Gülen-Bewegung gilt als islamisch-konservatives, aber gleichzeitig auch prowestliches Netzwerk, das vor allem einen EU-Beitritt der Türkei begrüßen würde.

Was die seit dem Bekanntwerden von Korruptionsermittlungen, die ins Umfeld der Regierung reichten, im Dezember 2013 auch von offiziellen Stellen in Ankara erhobenen Anschuldigungen anbelangt, Angehörige der Hizmet-Bewegung hätten ihre Positionen im Staatsdienst ausgenutzt, um die Regierung zu sabotieren, gibt es mittlerweile zumindest greifbare Indizien.

So wurden die Korruptionsermittlungen nur wenige Wochen nach der Erlassung eines Gesetzes durch die Regierung in Ankara bekannt, das die Dershanes, für deren Besuch sich viele türkische Familien extrem verschuldeten,  einer staatlichen Aufsicht und Teilfinanzierung unterstellte.

Vor den Kommunalwahlen im März 2013 tauchten illegal gewonnene Tonbandaufnahmen der Gespräche von Regierungspolitikern und sogar aus dem Nationalen Sicherheitsrat auf, die vor allem über die Hizmet-Medien verbreitet wurden. Auch wurden über anonyme Twitteraccounts Insiderinformationen aus obersten Regierungskreisen und der Polizei und Justiz verbreitet, die einen Zusammenhang mit Hizmet erkennen ließen.

Gegen Hizmet-nahe Medien und Polizeibeamte wird nun unter anderem wegen des Verdachts ermittelt, sie hätten auf Zuruf Fethullah Gülens gezielt die Kriminalisierung der "Tahşiye", einer konkurrierenden islamischen Gemeinschaft betrieben und dieser mittels gefälschter Beweismittel Al-Qaida-Verwicklungen anhängen wollen. Die Gülen-nahen Medien bestreiten die Vorwürfe und betonen, es hätte tatsächlich eine Radikalisierung der Tahşiye stattgefunden.

Dass es Kräfte innerhalb der staatlichen Institutionen der Türkei gibt, die gezielt gegen die Regierung arbeiten, kann angesichts der Vielzahl an Insiderinformationen, die an die Öffentlichkeit gespielt wurden, als gesicherte Tatsache betrachtet werden. Illegale Tonbandaufnahmen, die höchste Regierungs- und Militärkreise betreffen, fertigen sich nicht von selbst an und verbreiten sich auch nicht von alleine in sozialen Medien. Der Frage, ob und inwieweit Angehörige des Hizmet-Netzwerks darin involviert sind und ob es gegebenenfalls eine zentrale Steuerung dieser Aktivitäten von den USA aus gegeben hat, muss nun die Justiz versuchen, zu klären.

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