Droht der digitale Klassenkampf? Merkel will Zwei-Klassen-Internet

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich am Donnerstag in Berlin für eine Unterscheidung zwischen "freiem Internet und einem für Spezialdienste" ausgesprochen. Netz-Aktivisten befürchten ein Ende der Netzneutralität und in Folge ein Zwei-Klassen-Internet.
Droht der digitale Klassenkampf? Merkel will Zwei-Klassen-InternetQuelle: Reuters © Hannibal Hanschke

Alle Daten sind gleich. Aber manche sind premium. Unternehmen sollen gegen Aufpreis spezielle Dienste anbieten können, aber nur, wenn das Internet genug Kapazitäten für alle Nutzer hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich am Donnerstag in Berlin für eine Unterscheidung zwischen "freiem Internet und einem für Spezialdienste" ausgesprochen. Berühmt für ihren Ausspruch, das Internet sei "für uns alle noch Neuland", mutet jedwede Äußerung der CDU-Politikerin zum Internet als vorformuliert von speziellen Interessenverbänden an.

Unternehmen sollen gegen Aufpreis Dienste wie Video on demand oder Telemedizin auf schnelleren Datenkanälen anbieten dürfen. Aber nach einem Konzept des Bundeswirtschaftsministeriums, müssen sie vorher versprechen, dass sie das nur "bei ausreichenden Netzkapazitäten" tun. "Die Datenautobahn" muss allgemein funktionieren, dann darf auch die Überholspur kostenpflichtig gemacht werden.

Merkel hatte am Donnerstag in Berlin erklärt:

"Innovationsfreundliches Internet heißt, dass es eine bestimmte Sicherheit für Spezialdienste gibt. Wenn Sie das fahrerlose Autofahren haben wollen, oder wenn Sie bestimmte telemedizinische Anwendungen haben, dann müssen sie natürlich eine fehlerfreie und immer gesicherte Übertragung haben."
"Wir brauchen uns über Netzneutralität nicht zu unterhalten, wenn die Kapazitäten nicht zur Verfügung stehen," so Merkel abschließend.

Die Bundeskanzlerin erhofft sich von der Digitalisierung einen Jobmotor, um Jugendarbeitslosigkeit und sinkendes Wachstum in Europa zu bekämpfen. "Hier werden weit mehr Jobs entstehen als Jobs durch Digitalisierung in der klassischen Wirtschaft wegfallen", glaubt die Bundeskanzlerin und ergänzt:  "Deshalb ist es so wichtig, dass wir die Chancen der Digitalisierung nutzen." Doch was genau Merkel unter "Chancen der Digitalisierung" versteht konkretisierte sie nicht.

Positionierung der EU

Das EU-Parlament hatte Ende November einen Vorschlag Italiens, in dem das offene Internet durch ein Regulierungspaket eingeschränkt werde könnte, so wie es schon in Großbritannien der Fall ist, nicht als offizielle Position angenommen. Die Mehrheit der EU-Länder hielten weitere Diskussionen vor allem zur Netzneutralität für nötig. Die Europaabgeordnete Petra Kammerevert (SPD) sagte gegenüber The Local:

"Merkels Kommentare sind katastrophal, sie ruft nach einem Zwei-Stände-Internet.´"
Was ist Netzneutralität?

Netzneutralität bedeutet, dass alle Daten gleichrangig behandelt und keine Inhalte bevorzugt durchgeleitet werden. Unternehmen sind dagegen und setzen sich für privilegierte Datennetze.

Was das in der Praxis bedeutet, erklärten jüngst drei Damen aus der Branche für Erwachsenenunterhaltung. Die Nutzung ihrer Dienste, wobei es sich meist um Video on Demand handelt, wären ohne Netzneutralität nur noch gegen einen höheren Aufpreis möglich. In ihrem zweiminütigen Video erklären sie, was das Zwei-Klassen-Internet für "normale" Nutzer des kostenlosen Internets bedeutet: alles würde langsamer, das laden von Videos würde wieder auf prä-historische Zustände der 1990er Jahre zurückfallen. Sie zitieren auch US-Präsident Obama, der sich für Netzneutralität ausgesprochen hatte.

VORSICHT: Explizite Ansichten.

Kinderfreundlichere Erklärung zur Netzneutralität:

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.