Flüchtlingskrise in Deutschland: Folgt dem "Sommermärchen" die Katerstimmung?

In Deutschland kippt offenbar die Stimmung hinsichtlich der Flüchtlingskrise. Dies meldete am Donnerstag die ARD auf Grundlage einer Umfrage, nach der erstmals eine Mehrheit in Deutschland Angst vor zu vielen Flüchtlingen hat. Gleichzeitig häufen sich die Stimmen aus der Politik, die mahnen, dass das Aufnahmesystem an seine Grenzen stößt.
Flüchtlingskrise in Deutschland: Folgt dem "Sommermärchen" die Katerstimmung?

Im Vergleich zum September ist die Zahl derer, die in Deutschland Angst vor zu vielen Flüchtlingen haben, nach ARD-Angaben um satte 13 Prozent gestiegen. Gleichzeitig geben aber auch 47 Prozent der Befragten an, dass ihnen die anhaltenden Flüchtlingsströme keine großen Sorgen bereiten. Dennoch sieht nun erstmals eine Mehrheit von 51 Prozent die Situation in Deutschland äußerst skeptisch, im Osten des Landes mehr als im Westen. Je niedriger der Bildungsabschluss der Befragten ist, desto größer ist die Verunsicherung, was wenig überrascht, da sich vor allem ökonomisch nicht-privilegierte Bevölkerungsschichten neuen Konkurrenzsituationen ausgesetzt fühlen.

So forderte der neoliberale Ideologe Hans-Werner Sinn beispielsweise schon, als Reaktion auf die Flüchtlingskrise den Mindestlohn wieder abzuschaffen.

Auch die vielerorts ohnehin angespannte Situation auf dem Wohnungsmarkt, dürfte zu weiteren Sorgen führen. Zunehmende Berichte über gewaltsame Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Flüchtlingsgrupppen in den Asylunterkünften dürften ebenfalls mitverantwortlich für die zunehmende Katerstimmung sein.

Einen direkten Einfluss hat die Flüchtlingskrise offensichtlich auch auf die Beliebtheit von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Nur noch 54 Prozent der Befragten - 9 Prozent weniger als im Vormonat - sind mit der Arbeit der Kanzlerin zufrieden. Das letzte Mal war Merkel im Dezember 2011 derart (un)-beliebt. Gleichzeitig schnellen die Beliebtheitswerte des CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer in die Höhe. 11 Prozentpunkte konnte der Bayer gutmachen, der seit Wochen davor warnt, dass der Freistaat in Flüchtlingsfragen zunehmend an die Grenzen seiner Belastbarkeit komme. Seehofer sprach gar schon davon, dass das Aufnahmesystem kurz vor dem Kollabieren sei und drohte damit, die Flüchtlinge direkt vor das Kanzleramt fahren zu lassen. Die freiwilligen Helfer gelten zunehmend als erschöpft.

Dass sich der Wind langsam dreht, hat offenbar auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière erkannt. Dieser scheint sich eher an Seehofer ein Beispiel zu nehmen als an Merkel. Im gestrigen ZDF heute journal warf de Maizière den Flüchtlingen mit harschen Worten zu hohe Ansprüche und Undankbarkeit vor:

"Bis zum Sommer waren die Flüchtlinge dankbar, bei uns zu sein. Sie haben gefragt, wo ist die Polizei, wo ist das Bundesamt. Wo verteilt Ihr uns hin. Jetzt gibt es schon viele Flüchtlinge, die glauben, sie können sich selbst irgendwohin zuweisen. Sie gehen aus Einrichtungen raus, sie bestellen sich ein Taxi, haben erstaunlicherweise das Geld, um Hunderte von Kilometern durch Deutschland zu fahren. Sie streiken, weil ihnen die Unterkunft nicht gefällt, sie machen Ärger, weil ihnen das Essen nicht gefällt, sie prügeln in Asylbewerbereinrichtungen."
In der TAZ werden die Aussagen des Innenministers als wohlkalkulierte Hetze gewertet:
"Aber es nutzt nichts, de Maizière zu widerlegen. Der Mann hat zwar keine Doktorarbeit abgeschrieben, aber er ist ja trotzdem nicht dumm. Er weiß, was er tut. Er ist Teil jener, die ein Gespür dafür haben, dass die Stimmung in Deutschland zuungunsten der Kanzlerin und vor allem der Flüchtlinge kippen könnte. Und da will er dabei sein und auch gern ein bisschen mithelfen."
Offiziellen Zahlen zufolge sind im August dieses Jahres 105.000 Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, im September rund 280.000. Hinzu kommen, laut des Leiters des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Frank-Jürgen Weise, 290.000 Flüchtlinge, die noch nicht registriert sind. Auf die Bundesländer verteilt werden die Flüchtlinge nach dem Königsteiner Schlüssel. Auf Grundlage der Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl der Länder wird festgelegt, welchen Prozentsatz jedes Bundesland übernimmt. Spitzenreiter sind folglich Nordrhein-Westfalen (21,2 Prozent), Bayern (15,3 Prozent) und Baden-Württemberg (13 Prozent).

Gerade die ostdeutschen Länder, in denen die Skepsis vor Flüchtlingen besonders groß ist, sind mit Aufnahmequoten von zwei bis fünf Prozent im bundesweiten Vergleich weit abgeschlagen. Auf Thüringen entfallen bisher beispielsweise erst rund 14.000 Flüchtlinge, auf Sachsen 27.500.

Neue Töne schlägt Bundeswirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) indes im Spiegel-Interview an. Um die Flüchtlingskrise zu lösen, bedarf es auch eines neuen Verhältnisses zu Russland, so Gabriel. Denn ohne Moskau sei der Syrienkrieg nicht zu befrieden. Schon vergangene Woche forderte Gabriel daher auch ein Ende der Sanktionen gegen Russland. Auch der Vizekanzler warnt indes, dass viele Städte und Gemeinde langsam an ihre Grenzen kommen. Gabriel appeliert, eine offene und schonungslose Debatte über die Probleme der Zuwanderung zu führen, auch um Rechtsradikalen keinen Raum zu geben.

 

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