Innenpolitische Lage in der Türkei eskaliert: Anschläge der PKK, Ausschreitungen gegen HDP-Parteibüros und Medien

Bei am Sonntag und Montag verübten Bombenattentaten auf einen Militärkonvoi im südtürkischen Dağlıca und auf einen Mannschaftswagen der Polizei in der Region Iğdır wurden insgesamt 29 Menschen getötet. Es war der schwerste Anschlag der "Kurdischen Arbeiterpartei" (PKK) seit Mai 1993. In Reaktion darauf kam es in mehreren Städten der Türkei zu Demonstrationen, aus denen heraus es zu Ausschreitungen kam, die sich vor allem gegen Parteibüros der pro-kurdischen "Demokratischen Partei der Völker" (HDP) richteten und für die türkische Nationalisten verantwortlich gemacht wurden. Regierungschef Ahmet Davutoğlu verurteilte die Angriffe auf die HDP und die Hürriyet als "inakzeptabel".
Innenpolitische Lage in der Türkei eskaliert: Anschläge der PKK, Ausschreitungen gegen HDP-Parteibüros und Medien

In Alanya wurde das örtliche HDP-Büro in Brand gesetzt, in mindestens sechs weiteren Städten kam es zu Beschädigungen der Parteiquartiere. Türkischen Nationalisten gilt die HDP als politischer Arm der PKK, die HDP selbst bestreitet jede Verbindung. Zumindest einigen Politikern der Partei wird vorgeworfen, in die Türkei eingesickerte Kämpfer mit Geld und Naturalien zu versorgen.

Auch Büros der regierungsnahen Zeitung "Sabah" und der oppositionellen "Hürriyet" wurden angegriffen. Es flogen Steine und Demonstranten versuchten, in die Redaktionsgebäude einzudringen.

Bereits am Sonntagabend hatten etwa hundert Anhänger der regierenden AKP das Redaktionsgebäude der "Hürriyet" gestürmt, nachdem einer ihrer Redakteure eine Äußerung des türkischen Präsidenten Reep Tayyip Erdoğan in einem Tweet in einen falschen Zusammenhang gesetzt und damit den Eindruck erweckt hatte, dieser hätte die Todesfälle der Sicherheitsbeamten in einen kausalen Zusammenhang mit der Wahlniederlage der AKP gesetzt.

Die Polizei nahm im Zusammenhang mit den Ausschreitungen insgesamt 93 Personen wegen "Vandalismus" fest.

Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoğlu verurteilte die Angriffe auf die HDP und die Hürriyet als "inakzeptabel". Niemand dürfe sich über das Gesetz stellen, erklärte der Premierminister. "Wir werden nicht zulassen, dass Brüder sich gegenseitig bekämpfen".

Gleichzeitig machte er deutlich, dass der Kampf gegen die PKK "mit Entschlossenheit" fortgesetzt werde. Am Nachmittag des gestrigen Dienstags überschritten türkische Militärs die Grenze zum Nordirak, um dort mutmaßlich an den Anschlägen von Dağlıca und Iğdır beteiligte PKK-Kämpfer zu verfolgen.

UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon verurteilte die jüngsten Anschläge auf türkische Sicherheitskräfte und äußerte sich sehr besorgt über die zunehmende Gewalt. Ban rief zu einem umgehenden Abbau der Spannungen auf.

Präsident Erdoğan forderte die PKK unterdessen dazu auf, ihre Waffen bedingungslos niederzulegen. "In diesem Moment ist die einzige Lösung für die terroristische PKK, ihre Waffen zu strecken, es kann über nichts anderes geredet werden", sagte der türkische Staatschef unmittelbar nach dem Anschlag am Dienstag. Erdoğan zufolge seien die Strukturen der PKK durch die im Juli begonnene Offensive der türkischen Armee massiv geschwächt.

Kritiker hingegen zweifeln, ob die Sicherheitskräfte im Land tatsächlich geschlossen hinter der Agenda Erdoğans stehen und die härtere Gangart gegen die PKK billigen. Sowohl Polizei als auch Militär haben in den letzten Jahren massive Umstrukturierungen hinter sich. Das Militär, das einst die eigentliche Macht im Staat innehatte, wurde nach dem missglückten Putschversuch im Zuge der Präsidentenwahl 2007 entmachtet. Dabei spielte zum einen der Prozess im Zusammenhang mit der vermeintlichen, nationalistischen Ergenekon-Verschwörung innerhalb der Sicherheitskräfte eine Rolle. Zum anderen erreichte die AKP in einer Volksabstimmung über eine Verfassungsänderung die Zustimmung zu einer weiteren Beschränkung der Rolle des Militärs im Staat.

Im Zuge des Ergenekon-Verfahrens kam Erdoğan auch der Eifer zugute, mit dem Staatsanwälte und Richter, die dem umstrittenen Netzwerk des in den USA lebenden Predigers Fethullah Gülen angehörten, gegen die Militärs vorgingen. 2013 geriet jedoch Erdoğan selbst ins Visier des "Parallelstaates", nachdem dieser eine stärkere staatliche Kontrolle über private Bildungseinrichtungen der Bewegung erreichen wollte und die AKP den Gülen-Anhängern nicht ausreichend sichere Plätze für das Parlament zusichern wollte. Im Dezember 2013 versuchte das Gülen-Netzwerk im Polizei- und Justizapparat mittels zweifelhafter Korruptionsermittlungen zu putschen. Erdoğan konnte den versuchten Staatsstreich jedoch niederschlagen und ließ tausende Beamte versetzen, entlassen oder in den Vorruhestand schicken.

Die Folge ist nun jedoch, dass Teile der alten Garde im Militär und verbliebene Gülen-Anhänger in der Polizei nun mit Erdoğan einen gemeinsamen Feind haben, mit dem noch eine Rechnung offen ist. Misserfolge im Kampf gegen die PKK könnten die Bevölkerung gegen den Präsidenten einnehmen – weshalb einige in den Sicherheitsapparaten selbst nicht wirklich motiviert sein könnten, diese zu verhindern.

 

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