"Da muss man publizistisch gegenhalten" - Interview mit dem Chefredakteur von Salve TV zur Ausstrahlung von RT Deutsch

Ein Privatsender in Thüringen schwimmt gegen den Strom und strahlt die RT Deutsch Sendung Der Fehlende Part aus. Gespräch mit dem Chefredakteur des Senders, Klaus-Dieter Böhm.
"Da muss man publizistisch gegenhalten" - Interview mit dem Chefredakteur von Salve TV zur Ausstrahlung von RT Deutsch

Ihr Privatsender Salve TV ist zwar klein und eher unscheinbar, hat aber einigen Wirbel gemacht. Nachdem Sie in Thüringen Ihrem neuen Landesvater Bodo Ramelow einen eigenen Programmplatz eingeräumt hatten, strahlen Sie jetzt auch das deutschsprachige Programm von Russia Today aus. Mainstreammedien und diverse Politiker schäumen – was sagen Sie zu dem Vorwurf, dass Sie Russenpropaganda verbreiten?

Zuerst einmal zu dem Sendeplatz für Herrn Ramelow. Unser Sender hat schon immer die jeweilige Landesregierung begleitet, auch die seiner Vorgängerin Christine Lieberknecht (CDU). Uns war klar: Dass ein Linker zum Ministerpräsidenten gewählt wird, ist erstens fast eine Weltnachricht und zweitens ist seine filigrane Landtagsmehrheit von einer Stimme durchaus zerbrechlich. Deswegen hatten wir uns dafür entschieden, ihn die ersten hundert Tage im Amt zu begleiten. Das ist zwar vielfach kritisiert worden, medienrechtlich ist es aber nicht beanstandet worden. Es war also völlig korrekt, auch wenn es – journalistisch gesehen – für manchen vielleicht ungewöhnlich war.

Die Kritik daran, dass wir jetzt das deutschsprachige Programm von Russia Today übernehmen, zielt in dieselbe Richtung. Es ist offensichtlich so, dass viele deutsche Medien die russische Sicht auf die Politik für unerwünscht halten und sie als Propaganda abstempeln. Wir halten es aber für eine schöne Gegenfarbe, diese Sicht darzustellen, damit sich jeder Zuschauer seine eigene Meinung bilden kann.

Beflissene Empörung von Politikern und Redakteuren ist eine Sache – eine ganz andere ist das Publikum. Wie kommt das russische Programm an?

Wir senden diesen Nachrichtenblock nicht nur, wir gehen auch auf die Straße und fragen die Leute, was sie von Russia Today halten. Die Reaktionen waren durchweg positiv, wir mussten uns anstrengen, auch mal eine negative Aussage zu bekommen. Uns haben auch viele Zuschauer zustimmende Mails geschickt.

Eine Tageszeitung berichtete, dass etwa 50 Prozent der Bevölkerung den deutschen Medien nicht mehr trauen. Da die Menschen offensichtlich eine Alternative wollen, liegen wir meiner Meinung nach richtig.

Wieviele Menschen erreichen Sie mit Salve TV?

Salve TV hat eine technische Reichweite von 200.000 Zuschauern. Ich schätze, dass wir mit Russia Today etwa 30 Prozent davon erreichen.

Was sagt denn die Redaktion von Russia Today dazu, dass Sie die tägliche Halbstundensendung um 19.30 Uhr übernehmen? Müssen Sie dafür zahlen?

Das war eine Initiative meinerseits. Nachdem sich die bundesdeutschen Großmedien über den Start von Russia Today aufgeregt hatten, bin ich nach Berlin gefahren und habe der Redaktion angeboten, das Programm auszustrahlen – ohne irgendeine Gegenleistung. Das habe ich mit dem Chefredakteur Ivan Rodionov per Handschlag vereinbart.

Sprachrohr eines linken Ministerpräsidenten, Propagandasender der Russen – klingen solche Vorwürfe nicht so, als ob Ihr Sender eine klare linke Prägung hat?

Wir waren auch schon mal ein rechter Sender. Und nachdem jemand bei uns den Publizisten Udo Ulfkotte interview hatte, wurde uns nachgesagt, wir seien Esoteriker. Unsere Auffassung ist, dass unterschiedliche Sichtweisen erst einmal zur Kenntnis genommen werden sollten, bevor man sie kritisiert. Die Kunst des Zuhörens und des Diskutierens ist leider aus der Mode gekommen, viele schauen sich nur noch das an, was ihre vorgefasste Meinung bestätigt. Da wollen wir einen Gegenpol bieten.

Einer der Vorwürfe gegen Salve TV lautet, ein Thüringer Regionalsender habe nichts mit internationaler Politik zu tun und sollte sich auf Ereignisse im eigenen Bundesland konzentrieren.

Was ist die Welt, was ist das Dorf? Die Sanktionen gegen Russland gefährden auch so manchen Arbeitsplatz in Thüringen. Erst am Wochenende ging durch die Medien, dass die Firma Sondermaschinenbau Tira in Schalkau in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten ist und von den Mitarbeitern übernommen werde, 120 Arbeitsplätze seien bedroht. Bis zu 40 Prozent aller thüringischen Firmen hatten mit Russland zu tun, ihr Umsatz ist enorm eingebrochen. Interessanterweise läuft die Entwicklung in den USA anders: Ihr Handel mit Russland hat sich ausgedehnt.

Das, was da abläuft, ist ein Wirtschaftskrieg. Und wer den anzettelt, will uns möglicherweise auch in einen richtigen Krieg treiben – da muss man publizistisch gegenhalten.

Interview: Peter Wolter

Dieses Interview ist zuerst bei der Tageszeitung junge Welt erschienen. Er wird im Rahmen einer Content-Übernahme auf rtdeutsch.com publiziert.

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