Europa

"Ich erkenne mein Land nicht mehr": Gelbwesten fordern Gerechtigkeit

In Frankreich versammelten sich Anhänger der Gelbwesten zur 14. Protestwoche. Die Opfer der Polizeieinsätze gegen die Demonstranten fordern Gerechtigkeit. Sie verloren Augen und Gliedmaßen im Zuge der Gewalteskalation. Die Politik reagiert mit Härte.
"Ich erkenne mein Land nicht mehr": Gelbwesten fordern Gerechtigkeit© (Links) Facebook / Fiorina Jacob Lignier; (Mitte) Jacob Maxime; (Rechts) YouTube / TVL

Fiorina Jacob Lignier, die bei einer Demonstration in Paris am 8. Dezember ihr Auge verlor, klagt an: 

Das ist nicht normal. Wir sind in Frankreich, einer der ältesten und besten Demokratien der Welt. Wir verurteilen normalerweise aus der Ferne andere Länder, in denen dies geschieht. Dass so etwas hier passiert, ist unglaublich. 

Lignier ist 20 Jahre alt, Philopsophie-Studentin und reiste von ihrer Heimatstadt Amiens nach Paris, um dort mit ihrem Freund, Jacob Maxime, auf der Champs-Elysees gegen die hohen Treibstoffsteuern zu demonstrieren. Die hohen Treibstoffsteuern hatten die Gelbwesten-Bewegung ausgelöst. Maxime sagte gegenüber RT, dass sie mit einer Reihe friedlicher Demonstranten marschierten, als eine Gruppe maskierter Randalierer anfing, eine Ladenfront in mehr als 50 Metern Entfernung zu zerstören. 

Die Polizei begann sogenannte "Flash Balls" zu schießen und Granaten mit Tränengas in alle Richtungen zu werfen. Das Paar war zwei Stunden lang "zwischen einer Reihe von Gendarmen und einer Mauer eingesperrt war, ohne die Möglichkeit zu fliehen."

Lignier sagte, dass das Letzte, woran sie sich erinnert, die Schreie von Polizisten waren, die den Weg für Feuerwehrleute frei machten, dann traf sie eine Gasgranate am Kopf und sie lag auf dem Boden.

Als sie aufwachte, war ihre Nase gebrochen, ihr Gesicht durch Frakturen geschwollen und sie konnte durch ihr linkes Auge nichts mehr sehen. In den darauffolgenden 16 Tagen wurde die Studentin zweimal operiert. Zwei weitere Operationen werden bald folgen:

Mein Auge tut immer noch weh. Bei der nächsten Operation werden sie es entfernen. Es ist schwer, aufzustehen und dies zu spüren, ich kann nicht zu Vorlesungen gehen, ich kann nicht lesen, und das Bewegen meines Augapfels ist sehr qualvoll.

Nach den Demonstrationen in der vergangenen Woche berichtete das Innenministerium, dass 1.300 Polizisten und über 2.000 Demonstranten verletzt worden seien. Angesichts des Unterschieds in der Ausrüstung und Organisation zwischen der Bereitschaftspolizei und der zum Großteil unbewaffneten Menge haben die meisten französischen Medien spekuliert, dass der tatsächliche zivile Schaden um ein Vielfaches höher ist, zumal viele ihre Verletzungen nicht offiziell registriert haben. 

Die schwerwiegendsten Fälle werden von der Aktivistengruppe "Desarmons-les" (Entwaffnet Sie) aufgelistet, welche gegen staatliche Gewalt protestiert. 

Insgesamt haben 20 Menschen mindestens ein Auge verloren, fünf Hände wurden teilweise oder ganz abgerissen, eine Person verlor ihr Gehör durch eine mit TNT gefüllte GLI F4-Blendgranate. Der Neurochirurg Laurent Thines, gegenüber der Zeitung L`Express: 

Ich habe wiederholt Verletzungen gesehen, die mit denen übereinstimmen, die bei schweren Verkehrsunfällen oder nach Stürzen aus großer Höhe erlitten wurden. 

Während die Studenten-und Arbeiterproteste im Mai 1968, die die französische Geschichte auf den Kopf stellten, vier Menschenleben forderten, ist Thines der Ansicht, dass der Gesamtumfang, die Dauer und die Intensität der Gewalt damals viel geringer waren als das derzeitige Chaos. Wenn dem so ist, wird Frankreich wahrscheinlich das schlimmste Blutvergießen ohne Krieg seit dem Massaker der Pariser Kommune im Jahre 1871 erleben. 

Maxime kommt ein anderer Vergleich in den Sinn: der schmerzhafte und demütigende Konflikt für die moderne Republik nach dem Zweiten Weltkrieg: 

Wir haben solche Verletzungen in Frankreich seit dem Krieg in Algerien nicht mehr gesehen. Die Anweisungen des Innenministers und von Präsident Macron an die Polizei stellen eine systematische und gewalttätige Unterdrückung dar. 

Keiner der in den letzten drei Monaten Verletzten bestreitet, dass es unter den Demonstranten ein kriegerisches Element gibt. Aber es glaubt auch niemand, dass die Polizei versucht, die Gewalt zu minimieren. Während sich die breitere Diskussion darauf konzentrierte, ob die Regierung die Pattsituation mit ihren geizigen Zugeständnissen verlängert oder sogar als Grundsatz angeheizt hat, gab es eine sehr spezifische Kritik an der Taktik der Polizei. 

Menschenrechtler, Aktivisten und Gewerkschaftler haben die französische Polizei aufgefordert, ihren Einsatz so genannter "weniger tödlichen Waffen" zu überprüfen, insbesondere der LBDs - seltsam aussehenden Handfeuerwaffen, die zu einem Symbol der Konfrontation geworden sind. Diese in fast allen Staaten der Europäischen Union verbotenen, von Frankreich patentierten Geräte feuern relativ langsame und große komprimierte Schaumstoffkugeln - auch "Flash Balls" genannt - und waren für die meisten Verletzungen verantwortlich, neben den Tränengasgeschossen. 

Theoretisch gibt es strenge Einschränkungen bei der Verwendung, aber diese sind offen für Interpretationen, zum Beispiel was Selbstverteidigung anbelangt. Aber Videos zeigen extrem gut geschützte Polizisten, die die Waffen nach Belieben abfeuern und sie auf Demonstranten und sogar Journalisten richten, wenn sie nicht unmittelbar bedroht sind. Ihre vermeintliche Nicht-Tödlichkeit kann bedeuten, dass sie tatsächlich freier benutzt werden als echte Waffen, und zusammen mit den Molotow-Cocktails und Steinen, die von Randalieren geworfen werden, ermutigen sie das tödliche Straßentheater der französischen Proteste. 

Die Polizei hat nicht nachgegeben und sogar ein Gerichtsverfahren gewonnen, welches es ihnen erlaubt, an ihrer aktuellen Taktik festzuhalten. Christophe Castaner, der Anfang dieses Monats kürzlich einen Auftrag über weitere 1.280 LBD-Kanonen erteilte: 

Ich habe noch nie gesehen, dass ein Polizist oder Gendarm einen Demonstranten angreift.

Tatsächlich wurden keine Polizisten für eine einzige der Verletzungen gemaßregelt. Nur 100 Fälle von Gelbwesten-Opfern werden untersucht, wozu auch gewaltfreie und relativ triviale Vorfälle gehören. Anfang des Monats verabschiedete die Nationalversammlung trotz einer Spaltung innerhalb der eigenen Partei von Emmanuel Macron ein Gesetz, welches Verhaftungen für bis zu sechs Monaten und hohe Geldstrafen gegen "verdächtige Hooligans" vorsieht, die an Demonstrationen teilnehmen. Dieses Gesetzt erinnert stark an jene, die in der Folgezeit von Mai 1969 verabschiedet wurden. Castaner: 

Meine Botschaft ist klar: Jede Zerstörung und Aggression wird fortgesetzt und bestraft. 

Die verletzte Lignier hat mit ihrem Partnen eine Beschwerde eingereicht. Sie rechnen aber mit einem Verfahren über zehn Jahre. Maxime: 

Wir wollen nur, dass der französische Staat verurteilt und die Brutalität der Polizei anerkannt wird. 

Frankreich: Tränengas und Schockgranaten bei Protesten der Gelbwesten in Paris

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